[1. Briefentwurf:]
Sehr geehrter Herr PfempfertSchreibversehen, statt: Pfemfert. Franz Pfemfert, Schriftsteller in Wilmersdorf (Nassauische Straße 17) [vgl. Berliner Adreßbuch 1912, Teil I, S. 2273], war Herausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift „Die Aktion“ (im Verlag „Die Aktion“ in Berlin-Wilmersdorf, Redaktionsadresse: Nassauische Straße 17), deren erstes Heft am 20.2.1911 erschienen ist.
Empfangen Sie meinen verbindlichsten Dank für die Ehre, die
Sie mir mit der Aufforderungnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Franz Pfemfert an Wedekind, 15.12.1911. Es handelte sich um „eine Einladung Pfemferts, vor den Lesern der ‚Aktion‘ einen Vortrag zu halten.“ [KSA 6, S. 741] Es sollte der dritte Autoren-Abend der Zeitschrift „Die Aktion“ werden, nach dem „Max Brod-Abend“ am 15.12.1911 (um 20.15 Uhr im Harmoniumsaal in Berlin) in der Reihe „Die literarischen Abende der ‚Aktion‘“ [Die Aktion, Jg. 1, Nr. 43, 11.12.1911, Sp. 1366], der als „Zweiter Autoren-Abend der ‚Aktion‘“ [Anselm Ruest: Der Max Brod-Abend. In: Die Aktion, Jg. 1, Nr. 45, 25.12.1911, Sp. 1425f.] besprochen wurde. Ein Frank Wedekind-Abend war dann zwar angekündigt, aber ohne den Autor (siehe unten). erweisen, vor den Lesern der „Aktion“ einen
Vortrag zu halten. Ihre verehrten Leser werden mir aber sicher nachfühlen
können, wenn es mir widerstrebt das Beste was ich meiner Begabung danke, dem
ich seit Jahren die beste Form zu geben bestrebt suchte bin war die ich zu schaffen
imstande bin, inhaltlich und | undSchreibversehen (irrtümliche Wortwiederholung nach Seitenwechsel), statt: und. künstlerisch abzuschwächen um daraus
Material zu einem Vortrag zu gewinnen. Denn alles was mir seit dreißig Jahren b/e/rwähnenswerth
und gestaltungswürdig erschien habe ich meiner einseitigen Veranlagung entsprechend
zu dramatischen Arbeiten verwertet. Außer dem was in diesen Dramen steht hi
würde ich Ihren verehrten Lesern zu meinem Bedauern nichts mitzutheilen haben
was was meiner aufrichtigen Überzeugung nach wirklich
während werth der
Rede werth wäre Und
das was in jenen Dramen steht | läßt sich gelangt ohne an Wirkung zu verlieren nur von der Bühne aus sagen zur
Geltung.
Wollen Sie mir also erlauben Ihnen folgenden VorschlagFranz Pfemfert war bereit, Wedekinds Vorschlag, ein Stück von ihm auf die Bühne zu bringen, umzusetzen, wie er im Anschluss an Wedekinds offenen Brief im Erstdruck erklärte: „Ich entschied mich für eine Aufführung von ‚Totentanz‘. Nun stört aber dieses Werk bekanntlich das sittliche Empfinden des preußischen Zensors. Ich erinnerte mich, daß Karl Kraus vor ein paar Jahren mit einer Privatvorstellung der ‚Büchse der Pandora‘ der Unterleibsperspektive der Wiener Zensur entflohen war. Damit war der Weg zur ‚Totentanz‘-Aufführung gezeigt, und wir begannen unsere Vorbereitungen zu treffen.“ Er kündigte außerdem an: „Die Aufführung von ‚Totentanz‘ findet am dreißigsten März statt vor einem nach dem Rezept von Karl Kraus privat eingeladenen Publikum“ [Die Aktion, Jg. 2, Nr. 12, 18.3.1912, Sp. 359-361]. Dazu war im selben Heft erklärt: „Die Vorstellung (zu der nur namentliche, vom Herausgeber der Aktion gezeichnete Einladungen ergehen) soll am letzten Wochentage des März stattfinden. Einladungswünsche sind an die Redaktion zu richten.“ [Vor unserer Aufführung von Frank Wedekinds „Totentanz“. In: Die Aktion, Jg. 2, Nr. 12, 18.3.1912, Sp. 367] Die „Totentanz“-Inszenierung wurde allerdings nicht realisiert. Es wurde unter Hinweis auf eine Kritik von Alfred Wolfenstein zwar angenommen, eine geschlossene Aufführung habe am 30.3.1912 im Lessingtheater als „Wedekind-Abend der ‚Aktion‘“ [KSA 6, S. 698] stattgefunden, am 30. und 31.3.1912 (Wedekind selbst war da in Wien) wurde am Berliner Lessingtheater den Theaterprogrammen zufolge aber Gerhart Hauptmanns Drama „Das Friedensfest“ gegeben und die genannte Glosse [vgl. Alfred Wolfenstein: Berlin, Berlin! In: Die Aktion, Jg. 2, Nr. 26, 26.6.1912, Sp. 817f.] bezieht sich auf den Wedekind-Zyklus vom 1. bis 16.6.1912 am Deutschen Theater in Berlin. Dazu kommt eine in der Zeitschrift „Die Aktion“ am 1.4.1912 (auf dem Titelblatt: „Unsere Wedekind-Aufführung“) veröffentlichte Notiz: „Wir bitten die Einladungen, die für den 30. März bereits ergangen waren, zu retournieren: die neuen Einladungen ergehen in diesen Tagen.“ [Zu unserer Aufführung von Wedekinds „Totentanz“. In: Die Aktion, Jg. 2, Nr. 14, 1.4.1912, Sp. 437] Das ist nicht geschehen. zu
machen mit der Bitte zu machen, ihn den Lesern der Aktion freundlichst zu
unterbreiten. Geben Sie mir als Leiter der Aktion Gelegenheit eines meiner
Dramen Totentanz, Stein der Weisen Totentanz (oder Laute,
Armbrust und Peitsche) Totentanz So ist das Leben oder Musik aufzuführen, dann
werde ich Ihren Lesern | das Beste geben können was I ich zu geben habe.
Nachher bin ich mit Freuden bereitEin Lautenliederabend Wedekinds als dritter Autoren-Abend der „Aktion“ (siehe oben) fand nicht statt. In der Notiz zur geplanten geschlossenen „Totentanz“-Aufführung (siehe oben) war allerdings erklärt: „Völlig getrennt von der Privatvorstellung, jedoch am gleichen Tage, veranstaltet die Aktion einen öffentlichen Wedekindabend: Ferdinand Hardekopf spricht über den Dichter, Ludwig Hardt liest aus Wedekinds Werken.“ [Vor unserer Aufführung von Frank Wedekinds „Totentanz“. In: Die Aktion, Jg. 2, Nr. 12, 18.3.1912, Sp. 367] Wedekind selbst war in der Zeitschrift einige Wochen nach seinem Brief an den Herausgeber durch sein dem Münchner Polizeipräsidenten Julius von der Heydte gewidmetes Gedicht „Herr von der Heydte“ [KSA 1/I, S. 593f.] präsent [vgl. Frank Wedekind: Herr von der Heydte. In: Die Aktion, Jg. 2, Nr. 8, 19.2.1912, Sp. 239], auf dem Titelblatt („An den Münchner Zensor Herrn von der Heydte. Von Frank Wedekind“) entsprechend ausgewiesen ein Zweitabdruck „in bearbeiteter Fassung.“ [KSA 1/II, S. 1660] verehrtem Leserpublikum wie Sie vorschlagen auch mit
meinen neuesten „Liedern zur Laute“ bekannt zu machen.
Mit den besten Empfehlungen und herzlichem Gruß Ihr
ergebener
FrW.
[Seite 4 oben links:]
2 So ist das Leben
1 Totentanz
3 Stein der Weisen
4 Musik
5 Liebestrank
[2. Druck:]
Sehr geehrter Herr Pfemfert!
Empfangen Sie meinen verbindlichsten Dank für die Ehre, die
Sie mir mit der Aufforderung erweisen, vor den Lesern der „Aktion“ einen
Vortrag zu halten. Ihre verehrten Leser werden mir aber sicher nachfühlen
können, wenn es mir widerstrebt, das Beste, was ich meiner Begabung danke, dem
ich seit Jahren die beste Form zu geben suchte, die ich zu finden imstande war,
inhaltlich sowohl wie künstlerisch abzuschwächen, um daraus Material zu einem
Vortrag zu gewinnen. Denn alles, was mir seit dreißig Jahren erwähnenswert und
gestaltungswürdig erschien, habe ich meiner einseitigen Veranlagung folgend zu
dramatischen Arbeiten verwertet. Außer dem, was in diesen Dramen steht, würde
ich Ihren verehrten Lesern zu meinem großen Bedauern nichts mitzuteilen haben,
was meiner aufrichtigen Ueberzeugung nach der Rede werth wäre. Und der Inhalt
jener Dramen gelangt schlechterdings nur von der Bühne aus wirklich zur
Geltung.
Wollen Sie mir also erlauben, Ihnen folgenden Vorschlag zu
unterbreiten mit der Bitte, ihn den Lesern der „Aktion“ mitzuteilen. Geben Sie
als Leiter der Aktion mir Gelegenheit, eines meiner Dramen: „Der Stein der Weisen
oder Laute, Armbrust und Peitsche“, „Totentanz“, „So ist das Leben“ oder „Musik“
aufzuführen, so werden Sie Ihren Lesern dadurch das künstlerisch und inhaltlich
Beste vermitteln, was ich zu bieten habe. Nachher bin ich dann auch mit Freuden
bereit, Ihr verehrtes Leser Publikum, wie Sie mir vorschlagen, mit meinen
neuesten „Liedern zur Laute“ bekannt zu machen.
Mit den besten Empfehlungen und herzlichem Gruß
Ihr ergebener
Frank Wedekind
München, 2./I.12.