Schmerzensgeld!
Der Verlag BRUNO
CASSIRERDer offene Brief an Verlagsbuchhändler (Verleger) steht im Zusammenhang mit dem Verlagsstreit mit Bruno Cassirer, mit dem Wedekind sich unter dem Stichwort „Contra Cassirer“ [vgl. KSA 5/III, S. 126-141; Vinçon 2014, S. 227-230] auseinandersetzte. in Berlin bietet in Nr. 56
des „Börsenblattes für den deutschen
Buchhandel“ die Verlagsrechte und Büchervorräte meiner zwanzigjährigen
geistigen Produktion öffentlich zum VerkaufWedekinds Verleger Bruno Cassirer hatte folgende Annonce aufgegeben: „Ich beabsichtige, aus meinem Verlage sämtliche bei mir erschienenen Werke von / FRANK WEDEKIND / zu verkaufen. / Es handelt sich um die Dramen: / TOTENTANZ, 4te Aufl. / BÜCHSE DER PANDORA, 6te Aufl. / ZENSUR / SO IST DAS LEBEN, 2te Aufl. / OAHA, 2te Aufl. / FRÜHLINGS ERWACHEN, 24te Aufl. / DER KAMMERSÄNGER, 4te Aufl. / ERDGEIST, 7te Aufl. / MUSIK, 4te Aufl. / JUNGE WELT, 2te Aufl. / MARQUIS VON KEITH, 2te Aufl. / um den Gedichtband: VIER JAHRESZEITEN, 4te Aufl. / und die Erzählungen: FEUERWERK, 3te Aufl. / Ich bitte die Herren Kollegen, die sich für den Ankauf der Bücher Wedekinds mit allen Vorräten und Rechten für Neuauflagen interessieren, sich mit mir in Verbindung setzen zu wollen. / Hochachtungsvoll / BRUNO CASSIRER, VERLAG. BERLIN W., / Derfflingerstr. 16.“ [Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 77, Nr. 56, 10.3.1910, S. 3079] aus. Dieses Vorgehen nötigt mich,
den Herren Verlagsbuchhändlern mitzuteilen, daß ein rechtsgültiger Verkauf
dieser Rechte und Vorräte nur unter meiner ausdrücklichen Zustimmung zustande
kommen kann. Trotz des erfolgten Ausgebots läßt aber der Verlag BRUNO CASSIRER die Anfragen nach dem Verkaufspreis, die verschiedene erste
Verlagsfirmen an ihn richteten, bis heute völlig unbeantwortet, ein sicheres
Zeichen dafür, daß ihm die endgültige Trennung von meinem Lebenswerk
nachträglich doch wiederum recht weh
tut.
Ich erkläre mich daher öffentlich gerne bereit, der
Verlagsbuchhandlung BRUNO CASSIRER für den Fall, daß sie den Verlag meiner Werke
zu einem seinem Wert entsprechenden Preis verkauft, ein angemessenes Schmerzensgeld auszuzahlen.
München, 20. März 1910Wedekinds Notiz zum Versand vom 18.3.1910 zufolge – „Annonce für BZ Mittag aufgegeben“ [Tb] – ist der offene Brief in der „B.Z. am Mittag“ (gedruckt in der Ausgabe vom 21.3.1910) auf den 20.3.1910 vordatiert worden.
Frank Wedekind.