[1. Briefentwurf:]
Sehr geehrter Herr ..
Da Herr Dr. Max Halbe wie Sie mir mittheiltenbei Gesprächen Wedekinds mit Emil Meßthaler über Max Halbe am 23.4.1909 und 3.5.1909 (siehe unten). kürzlich mit Ihnen über eine Angelegenheit VorfallFrank Wedekind notierte am 3.4.1909 einen Abend bei dem befreundeten Verlagsbuchhändler Fritz Schwartz (genannt: Nero) in München (Richard Wagnerstraße 3) [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil III, S. 144], an dem etwas vorgefallen ist, auf das sich der vorliegende Briefentwurf bezieht: „Abendgesellschaft bei Schwarz. Max Halbes Handgreiflichkeiten.“ [Tb] Max Halbe war offenbar an diesem Abend ein Tischnachbar Tilly Wedekinds (sowie einer anderen Dame, der Gattin des Münchner Regierungsrats Ernst Soehlke), rutschte aus und hielt sich an ihr fest (wurde insofern ‚handgreiflich‘), ein Fauxpas, den er in seinen Erinnerungen übergeht, in denen gleichwohl die Rede ist von den „glänzenden Gastmählern [...] im Hause meines Freundes Fritz Schwartz“ [Halbe 1935, S. 346]. Er hat für den 3.4.1909 „Gesellschaft bei Schwartz“ [Tb Halbe, 4.4.1909] notiert, außerdem ausführlicher festgehalten: „Das Essen bei Schw. war sehr opulent. Sehr viel Litteratur war anwesend, Ganghofers, Bernsteins, Wedekinds usw. Außerdem viel Theater u. Hoftheater. Ich hatte eine Frau Regierungsrath Söhlke als Tischdame. Recht hübsch, charmante Polin, die leider hinkt. Die Stimmung wurde gegen Schluß sehr aufgekratzt. Ich hatte kleinen Zusammenstoß mit Wedekind in Erinnerung an sein einstiges Urtheil über ‚Treue‘. Es hat aber wohl nichts auf sich.“ [Tb Halbe, 5.4.1909] Da irrte er sich, denn Frank Wedekind kam auf den Vorfall zu sprechen, als er Max Halbe am 11.4.1909 (Sonntag) begegnete: „Begegnung auf der Post mit Max Halbe“ [Tb]. Max Halbe notierte zu der Begegnung zunächst: „Sonnt. [...] Ich treffe Wedekind, der mich in irrsinniger Weise beschuldigt, weil ich seine Frau bei Schwarzens angefaßt hätte“ [Tb Halbe, 33.4.1909], dann: „Der Fall Wedekind also in ein neues Stadium getreten. Die Periode der Freundschaft u. Zuvorkommenheit ist wieder einmal gefallen. ‚Wenn Du wieder einmal mit meiner Frau zusammenkommst, rathe ich dir, deine Pfoten aus dem Spiel zu lassen!‘ Ich sagte nur: ‚Du kannst mir leid thun!‘ u.drehte ihm den Rücken, schrieb dann an seine Frau einen ganz offiziellen Entschuldigungsbrief in einer Form, die ihm zeigen mußte, daß ich mit ihm nichts mehr zu thun haben will. Das ekle treulose feige Raubthier hat sich wieder einmal gezeigt. Es läßt sich auf die Dauer nicht mit ihm leben!“ [Tb Halbe, 14.4.1909] gesprochen hat die ich
für längst erledigt hielt, beehre ich mich Ihnen in beiliegendenirrtümlich nicht gestrichen. nachfolgenden Zeilen den wirklichen
Inhalt eines Briefes mitzutheilen, den Herr Dr. Halbe an eine Dame richtetan Tilly Wedekind; der Brief Max Halbes an sie ist nicht überliefert, wurde von ihm aber notiert (siehe oben). Frank Wedekind notierte am 12.4.1909 im Tagebuch diesen Brief, den Max Halbe an seine Frau geschrieben hat („Brief von Max Halbe an Tilly“) und den er selbst sogleich beantwortete („Brief an Max Halbe“) [vgl. Wedekind an Max Halbe, 12.4.1909].,
deren Tischnachbar er in einer Gesellschaft bei Herrn Direktor Fritz Schwarz
war vor einiger
Zeit bei einer Abendgesellschaft war.
Der Hofball auf dem die Herren sich beim Ausgleiten an den
Damen festhalten erspart mir meiner Ansicht nachzuerst gestrichen, durch Unterpunktung wieder hergestellt. jeden
weitere Erklärung Kommentar. Mit einem Herren zu
dessen Vorstellungsmöglichkeiten ein solcher HofballMax Halbe dürfte in seinem nicht überlieferten Brief an Tilly Wedekind (siehe oben) vergleichend einen Fauxpas beim Tanz auf einem Hofball (ein Herr tritt einer Dame auf die Füße) als Beispiel angeführt haben, um seinen eigenen Fauxpas am Abend des 3.4.1909 (siehe oben) zu relativieren. gehört würde kann ich mich unter keinen
Umständen mehr auf eine Erörterung von Anstandsfragen einlassen. |
Ich möchte erwäge
mirirrtümlich nicht gestrichen. nur die Frage erlauben ob dieser Hofball auf den sich Herr Dr Halbe
in seinem Briefe beruft, in Wirklichkeit nicht vielleicht ein Kuhschweifsprichwörtlich: „Ein Tanz, bei dem es nicht nobel zugeht.“ [Wander 1867-1880, Bd. 5, Sp. 1528]
gewesen sein sollte.
Ich bedaure sehr, daß wenn ich Sie auf unsere Unterredung hin durch die
Mittheilung genötigt zu sein glaubte, Ihnen obigen Brief mitzutheilen und
zeichne mit dem Ausdruck vorzüglichster Hochschätzung
als Ihr ergebener
Fr.W.
M. d.
xxx
Der Hofball auf dem die Herren beim Ausgleiten ihren
Nachbarinnen auf die Füße treten oder sich beim Ausgleiten an ihrer Tischdame
festhalten
Auf unsere Unterredung hin war ich zu meinem Bedauern
genötigt, Ihnen obenstehenden Brief mitzutheilen.
[2. Briefentwurf:]
Sehr geehrter Herr
Im Anschluß an unser kürzliches ein Gespräch über die VorwürfeEmil Meßthaler, der am Nachmittag des 23.4.1909 (Freitag) Max Halbe begegnet ist, wie dieser notierte: „Freit. Nachm. [...] Treffe Messthaler, erzähle ihm den Fall Wedekind“ [Tb Halbe, 25.4.1909], traf dann noch am 23.4.1909 Wedekind und berichtete ihm von Max Halbes Klagen über ihn: „Auf dem Weg ins Hofbräu begegne ich Meßthaler der von Halbe erzählt, er habe sich über mich beklagt.“ [Tb] Ein weiteres Gespräch fand am 3.5.1909 statt: „Langer Spaziergang mit Meßthaler Gespräch über Max Halbe“ [Tb]. Wedekind befragte am 10.5.1909 auch Albert Steinrück und Carl Rößler (Franz Ressner) über Max Halbe: „In der Torggelstube treffe ich Steinrück und Reßner die ich über Halbes Beschwerde interpelliere.“ [Tb] Daraufhin schickte er an beide sowie an Emil Meßthaler am 11.5.1909 jeweils eine Abschrift von Max Halbes Brief (siehe oben): „Schicke Halbes Brief an Reßner Meßthaler und Steinrück.“ [Tb]
die Herr Doctor Max Halbe gegen mich geltend
macht, gestatten Sie mir, Ihnen nachstehenden Brief mitzutheilen |
Die Vorstellung eines Der Hofballes auf dem die Herren beim Ausgleiten ihrer
Nachbardamen auf den Fuß treten erspart mir meiner Ansicht nach in
Verbindung mit der Thatsache Voraussetzung, daß man sich, wenn man bei Tisch ausgleitet, um sich greift und sich unwillkürlich an Damen festhält in Verbindungen mit den Voraussetzungen daß man um sich greift
wenn man bei Tisch ausgleitet und sich dabei auf diese Weise unwillkürlich an seiner Nachbarinn festhält meiner
Ansicht nach jedes weitere Eingehen auf die Unzufriedenheit des Herrn Dr.
Halbe. Ich möchte mir nur noch die Frage erlauben, ob der Hofball auf den sich
Herr Doctor Max Halbe in seinem Briefe beruft, in Wirklichkeit nicht vielleicht
ein Kuhschweif gewesen sein sollte.
In vorzüglichster Hochschätzung