München, Prinzregentenstr. 50.
4. April 1912.
Sehr geehrter Herr Intendanzrat!
Mit gleicher PostHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zum versandten „Erdgeist“-Soufflier-Buch (siehe unten); erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Königliches Hoftheater Stuttgart, 4.4.1912. beehre ich mich, dem Kgl. Hoftheater
unser SoufflierbuchHans Meery notierte am 10.4.1912 auf den vorliegenden Brief (siehe den Kommentar zur Materialität): „Unser Souffl. Buch ‚Erdgeist‘ von der Kanzlei aus geschickt.“ Das von Wedekind nach Stuttgart gesandte Soufflier-Buch (siehe oben) dürfte an die Kanzlei des Stuttgarter Hoftheaters gegangen sein, der Otto Paul vorstand (Obersekretär war Paul Luz, Sekretär Karl Bausch, dazu kamen drei Schreiberinnen und Telefonistinnen) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 634], die es hausintern an die Regie des Schauspiels gab, an den Regisseur Hans Meery (siehe unten); es ist nicht überliefert; erhalten sind lediglich zwei 1906 und 1908 entstandene Regiebücher für „Erdgeist“, beide Exemplare auf der Grundlage der 2. Auflage von 1903 und mit Einträgen von Frank und Tilly Wedekind zu den Rollen der Lulu und des Dr. Schön und beide zum Gebrauch bei Gastspielen vorgesehen [vgl. KSA 3/II, S. 1298-1310], aber für das Stuttgarter Gastspiel wohl nicht genutzt. von „Erdgeist“ zu übersenden. Das ungestrichene
Buch enthält genau den Text, wie ihn meine Frau und ich spielen. Sollte der
Text, was leicht möglich wäre, mit dem am Kgl. Hoftheater vorhandenen Rollenmaterial
nicht übereinstimmen, so würde ich auf die | gefällige Benachrichtigung Ihres
geehrten Herrn RegisseursHans Meery, Regisseur am Schauspiel des Stuttgarter Hoftheaters [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 634], der bei Frank und Tilly Wedekinds Gastspiel dort (siehe unten) die Regie bei „Erdgeist“ führte [vgl. Württemberger Zeitung, Jg. 6, Nr. 105, 6.5.1912, S. 8] und hier gemeint ist; bei „Der Marquis von Keith“ führte die Regie Walter Bloem [vgl. Württemberger Zeitung, Jg. 6, Nr. 108, 9.5.1912, S. 8; Nr. 110, 11.5.1912, S. 8], seinerzeit Bibliotheksleiter, Dramaturg und Regisseur am Stuttgarter Hoftheater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 634]. hin die für die übrigen Rollen nötigen Bücher
absenden lassen.
Darf ich mir noch erlauben, geehrter Herr Intendanzrat,
Ihnen für das ZustandekommenFrank und Tilly Wedekind haben den Gastspielvertrag am 9.3.1912 unterzeichnet [Staatsarchiv Ludwigsburg. Akte Wedekind, Frank. E 18 VI Bü 1305, 1 Bü, Blatt 2-5], den das Stuttgarter Hoftheater dem Theateragenten Eugen Frankfurter in Nürnberg am 5.3.1912 zusandte: „In der Anlage übersenden wir den Gastspielvertrag für Herrn und Frau Frank Wedekind mit der Bitte, denselben unterschrieben hierher zurückzugeben, worauf wir Ihnen den Gegenvertrag zusenden werden.“ [Blatt 11] Eugen Frankfurter schickte den Gastspielvertrag am 11.3.1912 zurück nach Stuttgart, an den Generalintendanten des Hoftheaters Joachim Gans zu Putlitz: „Ew. Exzellenz beehre ich mich anbei den vom Ehepaar Wedekind unterzeichneten Gastspielvertrag zu überreichen, worauf ich der Zusendung des Gegencontrakts entgegensehe“ [Blatt 10]. Das Gastspiel fand vom 6. bis 11.5.1912 statt, gespielt wurde „Erdgeist“ (am 6.5.1912) sowie „Der Marquis von Keith“ (am 9. und 11.5.1912). Wedekind notierte die Vorstellungen im Tagebuch – am 6.5.1912 („Erdgeistaufführung. König und Königin im Theater“), 9.5.1912 („Keithvorstellung“) und 11.5.1912 („Keitvorstellung, gut besucht. Der König wohnt der Vorstellung bis zum Schluß bei“). Das Stuttgarter Hoftheater war „das erste und für Jahre einzige Hoftheater [...], das Wedekind in seinen Spielplan aufnimmt, wenn auch zu Lebzeiten des Dichters nur in Form von Gastspielen.“ [Seehaus 1973, S. 180] Dem Gastspiel von 1912 „wird durch das Interesse des Königspaares, das der ersten Vorstellung beiwohnt, eine dem Dichter besonders ehrende Bedeutung zuteil.“ [Seehaus 1973, S. 181] des Gastspiels meinen aufrichtigen Dank
auszusprechen.
In vorzüglicher Hochschätzung
Ihr ergebener
Frank Wedekind.