wedekind
berlin marienstrasze 23 =
Telegraphie des Deutschen Reichs.
Berlin, Haupt-Telegraphenamt.
Telegramm [...] wien
[...]
gericht
hat heute nach fast vierstuendiger verhandlungDie Gerichtsverhandlung – wegen vorsätzlicher Körperverletzung (der tätliche Angriff auf Karl Kraus in der Nacht vom 29. auf den 30.4.1906 im Casino de Paris) und Beleidigung waren Marc Henry und Marya Delvard angeklagt, gegen Karl Kraus hatte Marc Henry Ehrenbeleidigungsklage erhoben – fand am 25.5.1906 unter Vorsitz des Landesgerichtsrats Dr. Karl von Heidt am Bezirksgericht Josefstadt in Strafsachen (Wien VIII, Alserstraße 1) [vgl. Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger für Wien 1906, Teil II, S. 98] statt. Marc Henry, Leiter des Künstlerkabaretts Nachtlicht, und Marya Delvard, seine Lebensgefährtin und Star dieses Kabaretts, wurden durch den Rechtsanwalt Dr. Ludwig Herzberg-Fränkel vertreten, Karl Kraus durch den Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Rosenberg; als Zeugen geladen waren Künstler, die im Nachtlicht auftraten oder in enger Verbindung zu diesem Kabarett standen – Peter Altenberg (nicht zur Aussage aufgerufen), Egon Friedell, Carl Leopold Hollitzer, Erich Mühsam, Alexander Roda Roda und Ladislaus Roth (Kapellmeister des Nachtlicht) – sowie Franz Thurner, der Besitzer des Wiener Nachtlokals Casino de Paris. Karl Kraus schickte Wedekind dann einen Zeitungsausschnitt mit einem Prozessbericht [vgl. Karl Kraus an Wedekind, 27.5.1906]. henry zu einem monat arrest
delvard zu 300 kronen geldstrafe verurtheiltGegen das Urteil (ein Monat Arrest für Marc Henry, 300 Kronen Geldstrafe für Marya Delvard, Freispruch für Karl Kraus) ging Marc Henry in Revision – in zweiter Instanz wurde ihm statt Arrest eine Geldstrafe von 600 Kronen auferlegt und die Geldstrafe seiner Lebensgefährtin auf 150 Kronen reduziert, wogegen Karl Kraus in seiner Notiz „Alkoholiker“ protestierte [vgl. Die Fackel, Jg. 8, Nr. 208, 4.10.1906, S. 29-32]. mich freigesprochen
allerherzlichst kraus =