Eugen Steinert, Berlin W. 15
Weingroßhandlung
Kurfürstendamm 22.
Postkarte
An
Herrn Karl Kraus
in Wien
Wohnung (Straße und Hausnummer) Schwindtgasse 3. |
Gruß aus Steinerts Weinstuben Berlin W.
Kurfürstendamm 22.
Als ich nebenstehender Dame die prachtvolle Phantasie „Geld“
zu lesen gabden unter Pseudonym veröffentlichten Artikel „Geld“ [vgl. Lucianus: Geld. In: Die Fackel, Jg. 7, Nr. 190, 11.12.1905, S. 11-14], dessen Verfasser der mit Karl Kraus befreundete Journalist Karl Hauer war [vgl. Kraus 1920, S. 117]. entdeckte ich erst wie Sie mich gegen GoldmannPaul Goldmann, seinerzeit Korrespondent der Wiener „Neuen Freien Presse“ in Berlin, mit dem Wedekind bereits in Paris Umgang hatte [vgl. Wedekind an Otto Erich Hartleben, 15.9.1894], veröffentlichte eine umfangreiche abwertende Kritik über Wedekinds am Kleinen Theater in Berlin erfolgreich inszeniertes Schauspiel „Hidalla“ [vgl. Paul Goldmann: Berliner Theater. „Hidalla“ von Frank Wedekind. In: Neue Freie Presse, Nr. 14818, 22.11.1905, Morgenblatt, S. 1-4], „des eklen ‚Hidalla‘-Feuilletons“ [Die Fackel, Jg. 7, Nr. 190, 11.12.1905, S. 18], wie Karl Kraus die Besprechung nannte (siehe unten). Wedekind schrieb später über ihn das „Goldmannlied“ [KSA 3/III, S. 168f.], das zu Lebzeiten unveröffentlicht blieb [vgl. KSA 3/IV, S. 863-872]; das war am 22.12.1907: „Schreibe vormittags Goldmannlied.“ [Tb] in Schutz nehmenWedekind bezieht sich auf die im Anschluss an den Artikel „Geld“ (siehe oben) abgedruckte Glosse „Literat“ in der Rubrik „Antworten des Herausgebers“, in der Karl Kraus auf eine Zuschrift zu Paul Goldmanns Verriss von „Hidalla“ (siehe oben) und einer früheren Stellungnahme des Herausgebers der „Fackel“ zu diesem Kritiker antwortet – „Sie schreiben: ‚Gestatten Sie mir eine Äußerung herzlichen Dankes dafür, daß sich in Ihrem Blatt mit gebührender Promptheit die richtige Reaktion auf den neuesten Goldmann eingestellt hat. [...] Aber [...] wär’s nicht doch vielleicht angebracht gewesen, eine besondere Heldentat aus diesem Feuilleton über ‚Hidalla‘ besonders anzukreiden? Nämlich die Verdächtigung, daß die ‚Münchener Boheme‘, zu der auch Frank Wedekind gehöre, ein persönliches Interesse an dem sexuellen Verhalten der jungen Damen, daß egoistisches Verlangen nach dem Verzicht auf Jungfräulichkeit an dem Werk seinen Anteil habe ...‘ ‚Die Hauptsache ist‘, sagen Sie, ‚es scheint mir unertragbar, daß gegen unseren stärksten und wahrsten Dichter eine so unqualifizierbare Verunglimpfung, daß eine so plebejische Verdächtigung gegen die Reinheit seiner Motive ausgesprochen werden konnte. Da hofft man auf Sie!‘ Und man täuscht sich nicht, da ich Ihre Zuschrift selbst wiedergebe. Nur eins: Meine Ausräucherung des Klugschwätzers in Nr. 188 war [...] vor dem Erscheinen des eklen ‚Hidalla‘-Feuilletons geschrieben. In Nr. 189 konnte ich dann nicht mehr ausführlich werden, brauchte Herrn Goldmann bloß darüber aufzuklären, daß er den Fußtritt, den er soeben erst empfangen, als Vorschuß auf seine Gemeinheit gegen ‚Hidalla‘ auffassen könne. Man kann sich doch nicht überbieten [...]. Soll man diesem Herrn Goldmann einbläuen, daß nicht die Negation des Virginitätsideals, sondern viel eher das Virginitätsideal selbst von den Wünschen jener abzuleiten wär, die da entjungfern wollen? [...] Es ist wirklich das Zeichen einer vollkommen journalversauten Zeit, daß man sich mit einem Herrn Goldmann als kritischer Instanz auseinandersetzen muß“ [Die Fackel, Jg. 7, Nr. 190, 11.12.1905, S. 17f.] – und dann eine Passage eines kritischen Artikels über Paul Goldmann aus der Berliner „Schaubühne“ [vgl. Otto Tugenthat: Berliner Theaterkritiker. VIII. Paul Goldmann. In: Die Schaubühne, Jg. 1, Nr. 13, 30.11.1905, S. 362-365, hier S. 364f.] als „eine ganz zutreffende Charakteristik“ zitiert und knapp kommentiert [vgl. Die Fackel, Jg. 7, Nr. 190, 11.12.1905, S. 18f.].. Herzliche
Grüße
F.W.
[am rechten Rand um 90
Grad gedreht:]
Bitte
ich, nicht nebenstehender Herr, habe den Artikeldie Wedekind gegen Paul Goldmann verteidigende Glosse „Literat“ in der Rubrik „Antworten des Herausgebers“ in der „Fackel“ vom 11.12.1905 (siehe oben). entdeckt! Herzl. Gruß
Tilly Newes
Grüßen Sie EgonEgon Friedell, der in der Wiener Inszenierung der „Büchse der Pandora“ am 29.5.1905 und 15.6.1905 die Rolle des Polizeikommisärs gespielt hat (Tilly Newes die Lulu). von mir!