Riesbach, den 8. Oct.
1890.
Lieber Franklin!
Auf Deinen Brief nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Armin Wedekind, 7.10.1890.nur einige Bemerkungen, da
Donald ja durch seine Rückkehr nach Solothurn Dein Anerbieten überflüssig
gemacht hat. Meine Andeutungvgl. Armin Wedekind an Frank Wedekind, 1.10.1890., daß die Verantwortung für seinen künftigen
Lebensweg auf denen laste die ihn in seiner kurzsichtigen Ueberhebung
unterstützen geht allerdings, wie Du richtig errathen hast zum größten Theil auf Dich, da ich der
Ueberzeugung bin, daß ohne Deine mehrmaligen Zufuhren von angemessenem Futter seine Selbstüberschätzung sich noch nicht einen
solchen Wanst angefressen hätte, sondern im Gegentheil die mehrmaligen
Erfahrungen, die er mit seiner/n/ vermeintlichen geistigen Mitteln
machen konnte sobald er auf eigenen Füßen stand seine geistige die Reife
seines Geistes u Charakters etwas befördert hätten. –
Donalds Nachrichtvgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 24.9.1890. er habe sich auf meine Initiative
hin mit mir geprügelt ist mir ein Zeichen, daß er die Welt doch noch nicht vom
pessimistischen Standpunkte betrachtet. Die Wahrheit, wenigstens wie sie mir
schien | war die, daß ich ihn aus der Stube warf nachdem er meiner
Aufforderung, dieselbe zu verlassen keine Folge leistete. Diese Aufforderung
war aber eine Folge der Discussion, die sich an meine Uebermittlung von Mama’s Eröffnung anspan/chloß/, daß Donald die
Schule am folgenden Sonntag von Beginn an wieder zu besuchen habe und
sich den Anordnungen der Lehrer unterziehen müsse. Er kam hierauf mit dem
Vorschlag, Dich als Vormund nehmen zu wollen (welches Amt ich Dir, nebenbei
gesagt, von Herzen gönnen möchte) u ähnlichem u als das Alles nicht verfing
warf er mir die
Drohung an den Kopf, daß er zum Gericht gehen
müsse u ihn/m/en die Sache übergeben. Es ist begreiflich daß ich
daraufhin die Discussion nicht fortsetzte, sondern ihm überließ zu thun was er
wolle, ihn aber aufforderte, nicht länger in meinem Zimmer zu bleiben. Der
mehrmaligen Aufforderung wurde leider erst in unfreiwilliger Art Folge
geleistet. Daß sich Donald nachher in Gemeinheiten über Mama u mich erging ist seinem Character
leider angemessen u kann ich aus diesem Grunde verstehen. – Ich muß es
natürlich Deinem Ermessen anheim geben, den Cultus der freien Individualität,
wie er bei Donald bis jetzt so schöne Blüthen hervorgebracht auch weiter zu pflegen,
kann mich aber vorläufig noch nicht entschließen, die überzeugen, daß
dieser eine bessere Garantie für das Wohl unseres Bruder bietet als eine gewöhnliche,
regelrechte Schul- u Berufsbildung. Uebrigens mit bestem Gruß
Armin.