Zürich 16. September 1917.
Schönbühlstraße 14 III.
Lieber verehrter Herr Karl Kraus!
Ihre Gedichtedie Gedichtbände „Worte in Versen“ (1916) und „Worte in Versen II“ (1917) von Karl Kraus, beide im Verlag der Schriften von Karl Kraus (Kurt Wolff) in Leipzig erschienen. waren mir eine schöne große Überraschung.
Inhalt und Form halten einander die Wage durch Würde und künstlerische
Vornehmheit. Seit drei Wochengenau zurück gerechnet seit dem 26.8.1917; Karl Kraus dürfte Wedekind seine beiden Gedichtbände (siehe oben) geschickt haben. lese ich sie mit gesteigertem Genuß. So aktuelSchreibversehen, statt: aktuell.
viele von | ihnen sind, stehen sie alle außerhalb und über der Zeit. Sie haben
sich eine eigene lyrische Form geschaffen; manches erinnert an den
„West-östlichen Divan“an Johann Wolfgang Goethes berühmte umfangreiche Gedichtsammlung „West-östlicher Divan“ (1819, erweitert 1827).. „Aus jungen Tagen“Gedicht aus dem Gedichtband „Worte in Versen“ (1916) von Karl Kraus (siehe oben)., „Abenteuer der Arbeit“Gedicht aus dem Gedichtband „Worte in Versen II“ (1917) von Karl Kraus (siehe oben). sind mir bis
jetzt die liebsten, aber vielleicht wirken andere Gedichte noch stärker, wenn
ich Ihnen näher gekommen bin. „Der | Ratgeber“ und „Gebet“Gedichte aus dem Gedichtband „Worte in Versen II“ (1917) von Karl Kraus (siehe oben). erscheinen mir von
einer Plastik, Innigkeit und Größe die an Beethovensche Musik gemahnt. Soviel
ich den beiden Sammlungen bis jetzt an Genuß und Erhebung verdanke, ich lese
immer wieder mit neuer Freude darin. Mit meinem Dank sende ich Ihnen die
herzlichsten Glückwünsche | zu Ihren „Worten in Versen“. Die Bescheidenheit
dieses Titels steht in prachtvollstem Gegensatz zu der Monumentalität der Form
und der Wucht ihres Inhalts.
Einstweilen spielen wir nochFrank und Tilly Wedekind gaben seit dem 12.9.1917 in Zürich ein „Erdgeist“-Gastspiel, dessen nächste Vorstellung am 20.9.1917 im Pfauentheater stattfand: „Frank und Tilly Wedekind werden kommenden Donnerstag ihr Gastspiel in ‚Erdgeist‘ wiederholen.“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 138, Nr. 1719, 17.9.1917, 2. Morgenblatt, S. (2)] Die letzte Vorstellung am 25.9.1917 wurde im Stadttheater gegeben: „Im Stadttheater gelangt am Dienstag Wedekinds ‚Erdgeist‘ zum letztenmal, diesmal im großen Hause, zur Aufführung. Wieder werden Frank und Tilly Wedekind selbst mitwirken.“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 138, Nr. 1770, 24.9.1917, 2. Morgenblatt, S. (2)] Sie gaben dann noch ab dem 27.9.1917 ein „Franziska“-Gastspiel, dessen letzte Vorstellung am 4.10.1917 – Wedekind notierte „Franziska“ [Tb] – stattfand: „Im Pfauentheater geht am Donnerstag nochmals Wedekinds Mysterium ‚Franziska‘ in Szene. Zum letztenmal werden bei dieser Gelegenheit Frank und Tilly Wedekind die Hauptrollen des Werks spielen.“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 138, Nr. 1844, 4.10.1917, 1. Morgenblatt, S. (3)] in Zürich. Anfang OktoberFrank und Tilly Wedekind reisten am 7.10.1917 zurück nach München [vgl. Tb].
denken wir nach München zurückzukehren.
Mit schönsten Grüßen von meiner Frau und mir
Ihr ergebener
Frank Wedekind.