HOTEL EXCELSIOR BERLIN
GEGENÜBER DEM ANHALTER BAHNHOF
3 MINUTEN VOM POTSDAMER BAHNHOF
Berlin SW 11,
22.III 17. 191
KÖNIGGRÄTZER STR. 112.
TELEFON: AMT NOLLENDORF 466-479.
Geliebte Tilly!
Empfang besten Dank für Deinen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.3.1917. und die Postkartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 20.3.1917.. Es freut
mich sehr, daß Du Dich gut unterhältst. Ich bekam derweil an Paketen zuerst
eins mit Butter und Zwiebäcken, dann eins mit Chokolade, dann eins mit Honig,
Zwiebäcken und Butter und schließlich eines mit Eiern. Die Butter ist sehr gut zum
Frühstück und nachmittags auf die Zwiebäcke. Aber Butter habe ich jetzt
reichlich genug. Wenn sie nur nicht ranzig wird. Der Honig ist aus|gezeichnet.
Vorderhand brauche ich also nichts mehr. Offen gesagt habe ich, bevor ich diese
Herrlichkeiten bekam die eine Schachtel mit ChokoladeWoldemar Wedekind übergab Frank Wedekind eine Schachtel mit Schokolade als Geschenk für Tilly Wedekind [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 14.3.1917]. Frank Wedekind hat seinen Cousin dem Tagebuch zufolge nach dem Treffen am 11.3.1918 („Mittag mit Woldemar und Oskar von Wedekind“) am 22.3.1917 wieder getroffen („Mit Woldemar Wedekind bei Habel äußerst gemütlicher Abend“). angebrochen, die mir
Woldemar Wedekind für Dich gegeben hatte.
Nun bitte ich dich um folgendes. In der einer der
Schubladen der schwarzen Kiste die auf dem Büchergestell neben dem Fenster
steht, liegen die Korrekturen der BühnenausgabeDas zwischen 1907 und 1912 entstandene Bühnenmanuskript von „Frühlings Erwachen“ ist „nicht erhalten“ [KSA 2, S. 775], allerdings ein 1918 im Georg Müller Verlag erschienener Druck, vertrieben vom Drei Masken Verlag: „Frank Wedekind. Frühlings Erwachen. Eine Kindertragödie in drei Akten. Vom Autor hergestellte Bühnenbearbeitung. Alle Rechte, insbesondere die der Aufführung sowie der Übersetzung in alle Sprachen, sind vorbehalten. Bühnen-Vertrieb Drei Masken Verlag G.m.b.H. in Berlin W. 30, Nollendorfstraße 13/14. Georg Müller Verlag München und Leipzig.“ [KSA 2, S. 776] von Frühlings Erwachen nebst
dem von Müller korrigierten Original. Du hattest mir den ganzen Packen schon in
die KlinigSchreibversehen, statt: Klinik. gebracht. Darf ich Dich bitten, was davon vorhanden ist in ein Kuvert
zu tun und an | Georg Müller, Verlag, Elisabethstraße 26 München zu schicken.
Ich habe Müller gebetenvgl. Wedekind an Georg Müller, 19.3.1917. die Korrekturen selbst zu besorgen oder besorgen zu
lassen, da ich jetzt keine Zeit dazu habe.
Mir geht es soweit gut. Morgen AbendWedekind notierte am 23.3.1917: „Zum Thee bei Meinhard mit Bernauer“ [Tb]; er war – wie Rudolf Bernauer – zu Besuch bei Carl Meinhard (Charlottenstraße 90-92) [vgl. Berliner Adreßbuch 1917, Teil I, S. 1878] und sprach insofern mit beiden Direktoren des Theaters in der Königgrätzer Straße über mögliche weitere Inszenierungen oder über ein Gastspiel. bin ich zum Thee bei Direktor
Meinhard und werde sehen, was er für Pläne hat und ob sich etwas mit ihm
vereinbaren läßt.
Grüße und küsse die Kinder von mir. Mit herzlichem Kuß
Dein
Frank.