Kennung: 4092

München, 17. März 1917 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Tilly

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

München, Samstagder 17.3.1917..


Liebster, Geliebter, was ist denn nur wieder los? Bekam Mittags vom Telegraphen Amt Berlin die Mitteilung, Du seist abgereist, unbekannt wohinDas den handschriftlichen Zustellvermerken zufolge am 16.3.1917 in Berlin um 12.50 Uhr aufgegebene, dem Stempelaufdruck zufolge aber erst am 17.3.1917 um 12.48 in München dem Boten übergebene Telegramm an „Wedekind Prinzregentenstraße 50“ (handschriftlich) enthält diese maschinenschriftliche Mitteilung: „15/3, 6,30 frank wedekind hotel excelsior berlin anhalter bhf. abgereist. wohin unbekannt.“ [Mü, Nachlass Frank Wedekind, ohne Signatur; ediert: Vinçon 2018, Bd. 1, S. 439 (Nr. 647)]. Mein Telegramm von Donnerstagnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 15.3.1917 (Telegramm). konnte also offenbar nicht zugestellt werden. Was ist denn nur Geliebter? Erst dachte ich die telegraphische Mitteilung sei vom HotelDer Absender des Telegramms aus Berlin (siehe oben) ist auf ihm zwar nicht explizit vermerkt, das „Hotel Excelsior (Berlin)“ [Vinçon 2018, Bd. 1, S. 439] aber als Absender angenommen worden. Bei der Mitteilung, Wedekind sei abgereist, handle es sich um eine „irrtümliche Information der Hotel-Rezeption“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 337]. u. wollte dahin telegraphieren. Dann dachte ich daran der Orska zu telegraphieren. Aber was können die mir sagen wenn Du fort bist, oder wenn Du mir keine Nachricht geben willst?! | Lieber, einziger Frank schreib mir doch was Du denkst. Wenn Dir irgend was nicht recht ist, so sag es doch.

Es ist ja schrecklich immer in der Angst zu leben sein Liebstes zu verlieren.

Ich hab Dir doch immer geschrieben u. telegraphiert, bei Deinem Auftreten an Dich gedacht. Zur Prager Reise entschloss ich mich erst im letzten Moment u. telegraphierte DirHinweis auf ein nicht überliefertes Telegramm; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 13.3.1917. auch bei der Abreise. D.h. ich gab das Telegramm meinen BrüdernDagobert und Karl Newes, wohl nicht Rudolf Newes, der gemeinsam mit seiner Schwester Tilly Wedekind von Graz nach Wien fuhr., müssten sie es eventuell zu spät abgeschickt haben. Aber das kann doch höchstens ein Tag gewesen sein. | Und ich beeilte mich ja so mit dem nach Hause kommen, fuhr 2 Nächte durch. Fühle mich auch jetzt recht angegriffen davon. Oder – was ist Dir sonst nicht recht? Bitte, lass’ keine Missverständnisse aufkommen, sondern sag mir was Du denkst.

In Graz erwarteten Bertl Karl u. Martha mich am Bahnhof von Graz am 7.3.1917 um 17 Uhr.u. wir fuhren schnell heim, weil sie dachten ich erreiche Papa nicht mehr. Er hatte schon öfter nach mir gefragt. Martha wohnte bei Dora, wir andern, auch Rudolf in einer Pensionnicht ermittelt. wo wir ausgezeichnet verpflegt waren. Wir wechselten uns in Papa’s PflegeEduard Newes hatte eine lebensbedrohliche Lungenentzündung, weshalb seine Tochter Tilly Wedekind zu ihm nach Graz gereist ist und ihn gemeinsam mit ihren Geschwistern pflegte. | ab. Einmal giengSchreibversehen, statt: ging. ich mit Martha u., Dora u. den Kindern auf den Rosenberg. Einmal waren wir bei Rudolf’s Schwiegermamanicht identifiziert; die Schwiegermutter von Tilly Wedekinds Bruder Rudolf Newes wohnte offenbar in Graz. zum CaffèeSchreibversehen, statt: Caffée (= Kaffee, oder: Café)., dann auf dem Friedhof bei Mama’s GrabWedekinds am 7.1.1915 gestorbene Schwiegermutter Mathilde Newes lag in Graz begraben.. Meine alte Nählehrerinnicht identifiziert. besuchte ich u. eine Freundinnicht identifiziert., sonst niemand, die andern sind alle fort. Einen Tag waren wir bei Bekanntennicht identifiziert. in der Nähe von Graz; es sind 2 Töchter da, sehr liebe Menschen. Die leben in ländlichem Überfluss.

Dienstagder 13.3.1917. in Wien, Mittwochder 14.3.1917. Tilly Wedekinds Schwester Martha Newes lebte seinerzeit in Prag, wo sie am Deutschen Landestheater als Schauspielerin engagiert war. bei Martha in Prag vergiengen Schreibversehen, statt: vergingen.die paar Stunden im Fluge.

Hab ich Dir nicht alles genau berichtet? |

II.

Also Lieber, schreib mir nun auch ein paar Zeilen! Wie lang wirst Du fort bleiben? Wie oft spielst Du noch?

Donnerstagder 15.3.1917, an dem Wedekind die vierte Vorstellung seines Gastspiels als Dr. Schön in der „Erdgeist“-Inszenierung am Theater in der Königgrätzer Straße in Berlin notierte: „Erdgeist 4.“ [Tb] war doch Erdgeist u. Sonntagder 18.3.1917, an dem Wedekind die fünfte Vorstellung seines Gastspiels als Dr. Schön in der „Erdgeist“-Inszenierung am Theater in der Königgrätzer Straße in Berlin notierte: „Erdgeist 5.“ [Tb] ist es auch. Da kannst Du doch nicht verreist sein. Vielleicht bist Du nur in ein anderes Hotel, oder nur über die freien Tage fort. Aber bitte Lieber, lass’ mich nicht länger im UnklarenDie verzögerte Zustellung der Post lag an einem Versehen des Berliner Hotels (Grand Hotel Excelsior), wie Wedekind seine Frau dann rasch wissen ließ., das ist ein schrecklicher Zustand.

Mit Sehnsucht eine Nachricht erwartend umarmt Dich in treuer Liebe Deine Tilly |

P.S. Gestern schickte ich Dir auch einen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 16.3.1917 (erster Brief)., vorgestern auchvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 15.3.1917.. Heute einen KartenbriefDie am 16.3.1917 abends geschriebene Briefkarte mit den genannten Beilagen [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 16.3.1917 (zweiter Brief)] wurde offenbar erst am 17.3.1917 abgeschickt. mit den neuen Fleisch- u. Brotmarken.

Die Kinder lassen Dich grüßen u. küssen, es geht ihnen sehr gut. Ich muss ihnen viel von Graz erzählen.

Innigen Kuss Tilly

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 6 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 1 Doppelblatt. Seitenmaß 13 x 17 cm. 2 Einzelblatt. 13 x 17 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Das Schreibdatum ist durch den Briefinhalt belegt.

  • Schreibort

    München
    17. März 1917 (Samstag)
    Ermittelt (sicher)

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefwechsel 1905‒1918. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind, Tilly Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2018
Seitenangabe:
441-442
Briefnummer:
677
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 221
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 17.3.1917. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

21.02.2023 18:22