CONFECTION NOUVEAUTÉS(frz.) Konfektion Neuheiten / Gross- und Einzelhandel / Jelmoli u. Compagnie / Zürich. – Die ersten 3 Zeilen der Firmenadresse sind nach Art eines Nähmaschinen-Zickzackstichs gestrichen.
EN GROS & EN RÉTAIL
JELMOLI & CIE
ZURICH
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Zürich, den 2. Mai 1887
Euer Wohlgeboren!
Dieweilen ich Sie gestern Abend erzürnt habe und
Sie im Grolle von mir schieden, bitte ich Sie heute als reumüthige, Besserung
versprechende Sünderin,
mir Verzeihung zu
gewähren.
Obigem anschließend möchte ich auch an Sie ++ einige Worte der Ermahnung und Ermunterung
zur Besserung richten.
I. Vergeben Sie künftighin den Platz des Sophas
an Ihrer grünen Seite, ohne Versteigerung!!!
II. Wenn ich den Platz eingenommen stopfen Sie fleißig
Ihre Murerpfiffli(schweiz.) Maurerpfeife.
und lassen Sie Hände und Mund von mir!!!
III. Lassen Sie Ihr dehnbares Herz und Gewissen,
einer Festung gleich mit Eisen beschlagen und ein großes feuerfestes Schloß
vormachen!!! |
IV. Lassen Sie sich nicht so sehr magnetisiren,
wenn Sie Ihr Weg absichtlich oder unabsichtlich am PfauenAm Pfauen befanden sich eine Wirtschaft, eine Konzerthalle und das Floratheater (Saisoneröffnung am 1.5.1887), errichtet seit 1879/80 im Auftrag von Heinrich Hürlimann, der gerade in Anzeigen Geld für die Weiterentwicklung des Geländes zum Pfauenkomplex mit dem Schauspielhaus Pfauen sammelte. – Christine Rothgang dürfte die Gastwirtschaft Pfauen mit Beherbergung, Restaurant und Cafe im Zeltweg 1 gemeint haben [vgl. Adressbuch für Zürich 1887, Teil I, S. 165 u. S. 255]. Sie lag etwa auf halbem Weg von Wedekinds Unterkunft in der Plattenstraße 35 zur Pension Anna Buchmanns in der Seefeldstraße 1, wo Wedekind zu Mittag aß [vgl. Anna Buchmann an Wedekind, 1.7.1887] und sein Freund Karl Henckell ein Zimmer gemietet hatte. – In Zürich (Aussersihl), Reitergasse 6A, gab es einen weiteren Gasthof namens Pfauen, der von einer Witwe Nagler geführt wurde [vgl. Adressbuch für Zürich 1887, Teil II, S. 414)]. vorüberführt. Folgen Sie dem
Beispiele Ihres guten FreundesKarl Henckell, der sich im Mai (29.5.1887) mit Frank Wedekinds Schwester Erika verlobte [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 318].,
dem sanften Zuckerjungen!!!
Verherrlichen Sie mein sonst so niedergedrücktes
Dasein durch Ihre großherzige aus Ihrem dehnbaren Herzen stammende Verzeihung
und beherzigen Sie oben erwähnte Paragraphen.
Auf Wiedersehen
Christel RothgangChristine Rothgang arbeitete 1887 in Zürich – vermutlich als Schneiderin oder Näherin – bei der Firma Jelmoli u. Comp., die ein Modegeschäft am Münsterplatz 17 und eine Filiale in der Bahnhofstraße17 besaß. Sie war eine Tochter des 1873 verstorbenen Kofferträgers Leonhard Rothgang und seiner Frau Maria, die zwischen 1862 und 1884 in München gemeldet war [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 124f.; Adreßbuch für München 1862 (S. 294) bis 1884 (S. 182)]..