Samstagder 11.1.1908..
Geliebter Frank,
Gesternam 10.1.1908. war ich Nachmittag’s bei Weltibei Wedekinds altem Freund, dem Schriftsteller Dr. phil. Heinrich Welti in Berlin (Lützowstraße 20) [vgl. Berliner Adreßbuch 1908, Teil I, S. 2784], der mit der Opernsängerin Emilie Herzog verheiratet war.. Frau Herzog gab
gerade eine Stunde, kam aber doch u. war sehr liebenswürdig. Ich glaub’ ich
habe mich nicht so ungeschickt benommen, wie wenn Du dabei bist. Vor Dir habe
ich eben den meisten Respect.
Adele hat natürlich abgeschrie|benabgesagt. da sie Stunde hatte. Ich
gieng mit Frau Schwarz. Vorher aß ich bei ihrvermutlich bei Clara Auguste Schwarz (geb. Hartmann), der ersten Ehefrau des Berliner Porträt- und Genremalers Alfred Schwarz (Viktoria Luise-Platz 11) [vgl. Berliner Adreßbuch 1908, Teil I, S. 2413], mit dem Wedekind bekannt war [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 4.2.1910].; dann fuhren wir zusammen nach
Hause. Es war wirklich sehr schön! Ich werde der Herzog noch ein paar Zeilen
schreiben.
Heute war ich Nachmittags wegen der Gasrechnung u. einen
Augenblick bei Fr. Durieux. Sie schrieb mir, | dass sie zu Bett liegt.
Anna Pamela ruft immerzu nach Dir, sucht in Deinem
Wohnzimmer nach Dir u. wenn sie es leer findet, geht sie zur Tür u. will in
Dein Schlafzimmer. Sie kann es nicht begreifen, wenn ich ihr sage, dass Du
weggefahren bist, u. lacht wenn ich den Zug nachmache. | Du spielst jetzt ebendie Rolle des Franz Lindekuh bei der Uraufführung von „Musik“ am 11.1.1908 am Intimen Theater (Direktion: Emil Meßthaler) in Nürnberg..
– Wenn Du Kritikender Uraufführung von „Musik“ am 11.1.1908 in Nürnberg. hast sende sie mir bitte.
Der Herrnicht identifiziert. war hier u. wird in 8 Tagen wieder kommen.
Nun kann ich Dir nur noch sagen, dass ich Dich sehr lieb
habe, wenn es Dich nicht langweilt.
Deine Tilly