Kennung: 3813

München, 30. November 1914 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Tilly

Inhalt

Innigst geliebte Tilly!

Geh doch morgen sofort in die Apotheke und hol Dir ein Paket
Sanatogen„diätetisches Nährpräparat, geruch- und geschmackloses weißes Pulver, bestehend aus 95 Proz. Kaseïn und 5 Proz. glyzerinphosphorsaurem Natrium.“ [Brockhaus’ Kleines Konversations-Lexikon. 5. Aufl. Bd. 2. Leipzig 1911, S. 602] Das eiweiß- und mineralstoffhaltige Gehirntonikum wurde 1898 von dem Berliner Unternehmen Bauer und Companie entwickelt, in seinen Sanatogen-Werken in Berlin (Friedrichstraße 123) [vgl. Berliner Adreßbuch 1915, Teil I, S. 123] hergestellt und weltweit verkauft. Eine Werbeanzeige empfiehlt „Sanatogen als Kräftigungsmittel 1. bei Nervenleiden 2. bei Rekonvaleszenz und Schwächezuständen aller Art [...] 5. bei Bleichsucht und Blutarmut [...] 7. bei Frauenleiden“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 545, 24.10.1914, Vorabendblatt, S. 4].
oder eine Flasche
Hämatogen„Hommels H., ein eisenhaltiges Blutpräparat, das außerdem phosphorsauren Kalk, phosphorsaures Kalium, Glyzerin, Eiweiß und Alkohol enthält, dient gegen Bleichsucht.“ [Brockhaus’ Kleines Konversations-Lexikon. 5. Aufl. Bd. 1. Leipzig 1911, S. 752] Das Blut bildende Kräftigungsmittel ist von Dr. med. Adolf Hommel, der von 1880 bis 1884 an der Universität Zürich Medizin studiert hatte, entwickelt worden; er gründete 1890 in Zürich die Firma Nicolay und Companie, ab 1908 die Aktiengesellschaft Hommel’s Haematogen [vgl. Markus Bürgi: Hommel, Adolf. In: Historisches Lexikon der Schweiz. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/014413/2008-01-08/, abgerufen am 23.12.2022], die das Präparat seit 1890 vertrieb; eine Annonce wirbt: „Schwächliche, Blutarme, Nervöse gebrauchen mit großem Erfolg Dr. Hommel’s Haematogen.“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 135, Nr. 1273, 31.8.1914, Mittagsblatt, S. (3)] (Dr. Hommels)

Ich weiß nicht mehr wie der Syrup hieß, den uns Dr. Hauschild seinerzeit verschriebenMedikament nicht ermittelt. Dr. med. Johannes Hauschildt war mindestens seit 1904 Wedekinds Hausarzt in München (nachweislich bis Anfang 1914), ab 1907 auch der seiner Frau und seiner Kinder., aber es war englisches Fabrikat und wird jetzt kaum mehr | zu haben sein. Sanatogen hat Mieze früher genommen und war sehr zufrieden damit. Hämatogen schmeckt nicht gut, ist aber seit vierzig Jahren erprobt. Beide Präparate heben die Stimmung und stärken den ApetitSchreibversehen, statt: Appetit.. Das hast du dringend nötig. Beginn also bitte sofort mit einem der Beiden. Schaden können sie dir gar | nichts sondern nur nützen. Ich hoffe daß Du schon davon genommen hast, wenn ich aufwache.

In herzinnigster Liebe
Dein
Frank.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 3 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Bleistift.
Schriftträger:
Papier. 11 x 18 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 30.11.1914 ist als Ankerdatum gesetzt. Der Brief ist nicht genau zu datieren, aber wegen der Anspielung auf die öffentliche Stimmung während des Ersten Weltkriegs (ein „englisches Fabrikat“, das „jetzt kaum mehr zu haben sein“ werde – England war nun Kriegsgegner Deutschlands) und durch die archivalische Zuordnung, nach der er zwischen Ende 1914 und 1916 entstand, ist er nach Kriegsbeginn und jedenfalls während des Krieges geschrieben worden. Im Erstdruck ist ohne nähere Begründung als Schreibdatum die Zeit zwischen dem 6. und 12.12.1914 vermutet; das ist der Zeitraum, über den Wedekind „krank“ [Tb] notiert hat. Der Brief gibt jedoch keine Hinweise auf ein Kranksein Wedekinds, sondern auf Erschöpfungszustände seiner Frau, die eine fiebrige Erkältung Anfang Dezember 1914 halbwegs überwunden hatte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.12.1914] und sich geschwächt gefühlt haben dürfte.

  • Schreibort

    München
    30. November 1914 (Montag)
    Ermittelt (unsicher)

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefwechsel 1905‒1918. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind, Tilly Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2018
Seitenangabe:
359
Briefnummer:
526
Kommentar:
Der Brief ist im Erstdruck auf die Zeit zwischen dem 6. und 12.12.1914 datiert.
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 320
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.11.1914. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

24.12.2022 13:11