Zürich 13. April 1887.
Herrn Julius Maggi Co. in
KempthalSchreibversehen, statt: Kemptthal..
Sehr geehrter Herr!
Beiliegend gestatte ich mir, Ihnen fürs erste 12 ReclamenZeitgenössisch wurde unterschieden zwischen Annoncen bzw. Inseraten und Reklamen: „Reklāme (franz.), empfehlende Anzeige (Anpreisung), bei der im Unterschied von der einfachen Annonce […] die Anwendung mehr oder weniger schlau berechneter Mittel zur Erweckung des öffentlichen Interesses wesentlich ist. Trotz der Ausschreitungen des Reklamewesens und des Vorschubs, den es dem Schwindel leistet, ist es ein bedeutsames Kulturmoment unsrer Zeit, eine Macht, die sowohl segensreich als auch verhängnisvoll auf den modernen Handel und Verkehr einwirkt und nicht bloß für geschäftliche, sondern auch für politische und geistige Interessen ausgenutzt wird. Bei geschäftlichen Interessen unterscheidet man Straßen- und Zeitungsreklame. […] Die Zeitungsreklame herrscht im Annoncenteil der Zeitungen, findet aber nicht selten auch unter allerlei versteckten Formen Eingang in den redaktionellen Teil.“ [Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Aufl. Band 16. Leipzig 1908, S. 777f.] „Ein besonderer Kunstgriff besteht darin, die bezahlte Annonce als eine von der Zeitungsredaktion oder auch von dritter Seite (z. B. in Form des ‚Eingesandt‘ […]) ausgehende Empfehlung erscheinen zu lassen. Als technischer Ausdruck im Zeitungswesen bezeichnet R. auch gewöhnliche, aber zum Abdruck an hervorragender Stelle (z. B. unmittelbar unter dem Redaktionsstrich) gegen erhöhte Gebühren aufgenommene Inserate.“ [Brockhaus’ Konversations-Lexikon. 14. Aufl. Band 13. Leipzig, Berlin, Wien 1895, S. 755] Von solchen, für den redaktionellen Teil der Zeitungen bestimmten Reklamen sind 160 Texte von Wedekind für Julius Maggi und Co. überliefert [vgl. Vinçon 1992, S. 27-84; 124-133]. Welche davon dem Brief beilagen, ist nicht ermittelt. zu
übersenden. In Zukunft hoffe ich es jede Woche auf 12 oder 18 Stück zu bringen.
Es wurde mir nicht leicht, mich wieder in diese Schreibweise hineinzufindenWedekind war von November 1886 bis Anfang April 1887 als „Vorsteher des Reclame- und Preßbureaus“ [Wedekind an Jaroslav Kvapil, 24.4.1901] der Firma Maggi und Co. in Kemptthal bei Zürich fest angestellt und unter anderem für das Verfassen von Reklametexten und Annoncen zuständig. Nach Auflösung des Vertrags war er noch bis Juli 1887 auf Honorarbasis als Texter für Maggi tätig [vgl. Vinçon 1992, 121]. Offenbar hatte er längere Zeit mit dem Schreiben von Reklametexten pausiert..
Morgen oder übermorgen sende ich Ihnen zwei längere ArtikelWie die folgende Korrespondenz belegt, handelt es sich um die Beiträge „Culturhistorische Plauderei“ [Vinçon 1992, S. 32-34] und „Bedeutende Fortschritte“ [Vinçon 1992, S. 31f.]. über die ich mir
Ihr werthes Urtheil ergebenst erbeten haben möchte. Was Ihnen von den Reclamen
nicht convenirenzusagen, gefallen. sollte, erwarte ich mit gefälligsten FingerzeigenUnter etlichen der überlieferten Reklametexte [vgl. Vinçon 1992, S. 27-75] von Wedekind finden sich kurze handschriftliche Bemerkungen Julius Maggis wie „Vortrefflich!“, „Recht gut!“, „Gut gedrechselt!“ „Geht an!“, „Recht hübsch im Anfang!“ oder „Nicht sonderlich!“, „Würde ich nicht nehmen!“, „Zu persönlich!“, „Mäßig!“ Daneben finden sich auch redaktionelle Empfehlungen: „Zweiter Satz muß weg!“ oder „Das Wort ‚moralisch‘ ist nicht ganz richtig gewählt“ [vgl. dazu auch die Übersicht: Vinçon 1992, S. 126-131]. retour.
Indessen bin ich mit der Versicherung vollkommenster Hochachtung Ihr
allerergebenster
Fr. Wedekind
12 Einlagen.