München, 7.IX.1904.
Lieber Roeßler!
Inliegend ein Brief von Marchlewskynicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Julian Marchlewski an Wedekind, 3.9.1904. Es dürfte sich um einen Begleitbrief zu dem Manuskript von Carl Rößlers Stück „Hinterm Zaun“ gehandelt haben, für dessen Drucklegung sich Wedekind bei dem Verleger Julian Marchlewski eingesetzt hat [vgl. Wedekind an Carl Rößler, 25.6.1904]. „Hinterm Zaun. Ein Stilleben in drei Bildern“ (1908) erschien erst vier Jahres später im Spiegel-Verlag in München [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 75, Nr. 195, 22.8.1908, S. 8885].. Ich sprach daraufhin über „Hinterm
Zaun“ mit Basilmit Fritz Basil, Münchner Hofschauspieler und Regisseur am Münchner Hoftheater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 499] sowie Schauspiellehrer Wedekinds, den Wedekind dem Tagebuch zufolge zuletzt am 4.9.1904 („Hole Basil beim Theater ab und suppiere mit ihm und Waldau bei Lili Marberg“) und 5.9.1904 („Stunde bei Basil“) gesprochen hat., der mir mit großer Begeisterung von Deinem „verlorenen SohnWedekind verwechselt den Titel von Carl Rößlers Drama „Der reiche Jüngling“ (siehe unten) mit dem biblischen Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lukas 15, 11-32).“ vorschwärmte und mich bat, ihm auch „Hinterm Zaun“ zu lesen zu
gehen. Ich bin der festen Ueberzeugung, daß in der dramatischen GesellschaftDie Münchener Dramatische Gesellschaft, zu deren Beirat Fritz Basil (siehe oben) gehörte, hatte ihre konstituierende Sitzung mit Fritz Braumüller, Dramaturg am Münchner Schauspielhaus, als 1. Vorsitzenden am 1.12.1903 [vgl. Allgemeine Zeitung, Jg. 106, Nr. 346, 14.12.1903, 3. Abendblatt, S. 3]; inzwischen war Michael Georg Conrad der 1. Vorsitzende [vgl. Münchner Dramatische Gesellschaft. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 57, Nr. 238, 22.5.1904, S. 5].
Eins von BeidenCarl Rößlers Stück „Der reiche Jüngling“ wurde am 17.3.1905 in einer geschlossenen Subskriptionsvorstellung im Münchner Volkstheater durch die Münchener Dramatische Gesellschaft (siehe oben), deren 2. Vorsitzender inzwischen Max Halbe war, und die Literarische Gesellschaft (ihr Mittun wurde ganz kurzfristig entschieden), uraufgeführt: „Subskriptions-Vorstellung der Münchner Dramatischen Gesellschaft und der Literarischen Gesellschaft. Uraufführung: Der reiche Jüngling. Ein biblisches Trauerspiel in vier Akten von Karl Roeßler. Regie: Ernst Schrumpf.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 58, Nr. 129, 17.3.1905, General-Anzeiger, S. 3] Die weiteren Vorstellungen waren öffentlich. aufgeführt wird. Marchlewsky erwartet Antwort auf die in dem
Briefe gestellten Fragen. Er gab mir das Buch nur für einige Tage für Basil und
mir scheint, daß er sich sehr dafür interessirt. Wann kommst Du wieder nach
MünchenWedekind hat Carl Rößler (Pseudonym: Franz Ressner) dem Tagebuch zufolge am 19.11.1904 („Abends mit [...] Reßner [...] in der Torggelstube“) und 3.12.1904 („Abends mit Reßner [...] im Hoftheaterrestaurant“) in München wiedergesehen, ihn davor in Berlin am 23.9.1904 („Nachts mit Reßner [...] bei Wittwe Helmer“) und 26.9.1904 („Donald und Reßner begleiten mich auf den Bahnhof“) getroffen. Carl Rößler zog im Jahr darauf zurück nach München, wo Wedekind ihn dann häufig sah.? Deine Gegenwart thut hier sehr noth. Mit herzlichen Grüßen Dein
Frank.