HOTEL HABSBURGER HOF
FRITZ OTTO, Hoflieferant.
Fernsprech-Anschlüsse:
Amt Lützow, 1663 Hotel
4077
5442 Restaur.
Personen-Fahrstuhl
Tag und Nacht im Betrieb.
Berlin S.W.
11, den 191
Askanischer Platz 1.
Berlin 16.1.14.
Geliebteste Tilly!
Herzlichsten Dank für Deine Kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 13.1.1914. und Deinen lieben
ausführlichen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 14.1.1914.. Heute früh kam der PelzmantelTilly Wedekind hat ihrem Mann am 14.1.1914 seinen Wintermantel nach Berlin geschickt; den Empfang notierte Frank Wedekind am 16.1.1914: „Bekomme Pelzmantel geschickt.“ [Tb]. Ich habe derweil nicht viel
erlebt und zwar aus folgendem Grunde: Kassirer hat offenbar seinen Haß auf mich
geworfen. Sonntag AbendWedekind sah das Ehepaar Paul Cassirer und Tilla Durieux am 11.1.1914 (Sonntag), dem Tag seiner Ankunft in Berlin, abends bei dem Privatgelehrten und Schriftsteller Dr. phil. Julius Elias: „Mit Barnowsky Cassirer und Durieux bei Dr. Elias.“ [Tb] schlug ich ihm für Montag eine Zusammenkunft vor. Er
antwortete ausweichend und hat seither nichts mehr von sich hören lassen.
Gestern lehnte auch | die Durieux auf der ProbeWedekind notierte am 15.1.1914 zu der Probe für die anstehende Uraufführung seines Versdramas „Simson“ im Lessingtheater: „III Akt mit Chören. Dann I Akt. Die Durieux wird ungebärdig“ sowie „Gehe mit Rottmann seine Rolle durch“ [Tb]. Tilla Durieux spielte die Rolle der Delila, Alexander Rottmann den Og von Basan, Friedrich Kayßler die Titelrolle. meine Bemerkungen ab. Ich habe
sie heuteWedekind notierte am 16.1.1914 zu der Probe für die anstehende Uraufführung seines Versdramas „Simson“ im Lessingtheater: „II und I Akt geprobt.“ [Tb] dafür vollständig links liegen lassen. Tatsache ist, daß sie unter
den Hauptdarstellern bis jetzt am schlechtesten ist. Kayßler ist grandios,
Rottmann ausgezeichnet, und von den übrigen Herren habe ich mich über keinen zu
beklagen. Kayßler ist im Verkehr sehr gefügig geworden und Rottmann fragt bei
jedem Satz nach der Betonung. Wenn die Durieux aus der Delila nichts macht, ist
mir das schließlich gleichgültig. Wenn sie sie nur nicht im letzten Moment
abgiebt. Darauf muß ich vorderhand gefaßt sein. So kommt es, daß ich bis jetzt
jeden Abend allein war. Am MontagWedekind sah am 12.1.1914 mit Heinz Salfner in der Titelrolle Henrik Ibsens Drama „Peer Gynt“ mit Musik von Edvard Grieg im Lessingtheater: „Abend in Peer Gynt.“ [Tb] war ich in Peer Gynt, am | DienstagWedekind sah am 13.1.1914 August Strindbergs „Wetterleuchten“ in den Kammerspielen des Deutschen Theaters: „Abend Wetterleuchten von Strindberg.“ [Tb] in Wetterleuchten,
am MittwochWedekind besuchte am 14.1.1914 das Varietétheater Wintergarten, wo ein nicht näher beschriebenes Programm „Persien“ zu sehen war [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 23, 14.1.1914, Morgen-Ausgabe, 6. Beiblatt, S. (1)]: „Wintergarten Knabenboxkampf.“ [Tb] im Wintergarten. Gestern aß ich im Hotel zu Abendim Hotel Habsburger Hof. Wedekind notierte am 15.1.1914: „Abendessen im Hotel.“ [Tb] und saß nachher
im Restaurant und arbeitete am TotentanzWedekind notierte am 15.1.1914 nach dem Abendessen im Hotel: „Im Restaurant arbeite ich bis 1 Uhr an Tod und Teufel“ [Tb]; er arbeitete vom 20.12.1913 bis zum 7.2.1914 die erste und dritte Szene von „Totentanz“ (1905) – seit 1909 unter dem Titel „Tod und Teufel (Totentanz)“ [vgl. KSA 6, S. 625-627] – in Versform um [vgl. KSA 6, S. 614].. Gestern Nachmittag ging ich zu Dr. Heines, traf aber niemand zu
Haus und ließ meine Karte dortnicht überlieferte Visitenkarten, die Wedekind am 15.1.1914 notierte: „Gebe bei Heines Karten ab“ [Tb]; erschlossene Korrespondenzstücke: Wedekind an Carl Heine, 15.1.1914; Wedekind an Beate Heine, 15.1.1914.. Es freut mich zu hören, daß es Dir und den
Kindern gut geht und daß Du Dich gut unterhältst. Wenn Du nach dem Theater mit
Deinen oder unseren Bekannten zusammenbistSchreibversehen, statt: zusammen bist. kann ich mich nur darüber freuen.
Meinem Arm geht es gutWedekind hatte seit dem 4.1.1914 Beschwerden wegen eines Furunkels am Arm [vgl. Tb], der zunächst einen Verband hatte, dann ein Pflaster.. Ich trage heute zum ersten Mal wieder ein Pflaster
statt des Verbandes. Vorgestern las ich im B.T.„Aus München telegraphiert unser Korrespondent: Einer der rührigsten und bekanntesten deutschen Verleger, der Generaldirektor der Bruckmann A.G., Fritz Schwarz, ist gestern abend im Alter von 57 Jahren gestorben. Er war ein geborener Brandenburger, aber schon seit Jahrzehnten in München tätig. Schwarz war auch Herausgeber der Zeitschrift ‚Kunst für Alle‘.“ [Kleine Mitteilungen. In: Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 22, 13.1.1914, Abend-Ausgabe, S. (2)] Fritz Schwartz (genannt: Nero) starb am 12.1.1914 in München (nach einem Schlaganfall). Seine Witwe Grethe Schwartz (geb. Schüssel) hat eine Todesanzeige aufgegeben, ebenso der Vorstand der F. Bruckmann A.-G. in München [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 23, 14.1.1914, Vorabendblatt, S. 10] sowie die Belegschaft [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 25, 15.1.1914, Vorabendblatt, S. 11] die
Todesnachricht von Direktor Schwartz. Gestern früh sandte ich seiner Frau ein Telegrammnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank und Tilly Wedekind an Grethe Schwartz, 15.1.1914.
in unser beider Namen. | Vielleicht hast Du selber auch kondoliert.
Der Mantel hat mir heute schon die besten Dienste geleistet,
da es immer noch sehr kalt ist. Sollte dieser Tage ein eingeschriebener Brief
von Georg Müllernicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Georg Müller an Wedekind, 16.1.1914. kommen, dann bitte ich, mir ihn eingeschrieben
hierherzuschicken.
Nun leb wohl, geliebteste Tilly. Bleibt alle recht gesund. Grüße
und küsse die Kinder von mir.
Mit innigstem Kuß
Dein
Frank.