T. W.
München,
15.I.14.
Geliebtester Frank,
der Mantel ist gestern schon abgegangenHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zur Sendung; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 14.1.1914. u. hoffe ich, dass
Du ihn morgen spätestens erhältst. Hier hat die Kälte übrigens nachgelassen.
Heute war ich zu Hause, habe gelesen u. gelerntdie Titelrolle von „Franziska“ nach der Ende 1913 fertiggestellten „Bühnenausgabe in gebundener Rede“ [KSA 7/II, S. 996].. Mit „Franziska“
bin ich ziemlich fertig, werde es aber möglichst oft wiederholen. Anna Pamela
war in der Schule, | u. AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] holte sie mit der Kleinen ab. Nachmittags waren
sie spazieren. Abends telephonierte Frau Dr. Pariser
an. Sie wollte mich für morgen oder übermorgen abends einladen. Holitscher ist
auch bei ihnen. Ich suchte alle möglichen Ausflüchte, machte ihr auch
Complimente über ihr Stück, das ich inzwischen gelesenTilly Wedekind las das Manuskript von Erna Parisers Schauspiel „Leda“ im Sommer 1913 in Lenzburg [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.6.1913 und 20.6.1913]. habe u. das mir
theilweise recht gut gefällt.
Bald darauf telephonierte sie | wieder u. schließlich sagte
ich, ich käme ein Bischen zu ihr, um ihr zu sagen warum ich nicht kommen will.
Ich fuhr hin u. erzählte ihr von der Gesellschaft bei BernsteinsWedekind notierte am 6.1.1914 einen Gesellschaftsabend bei Max und Elsa Bernstein (unter den Gästen die Pianistin Sandra Droucker und ihr Mann, der Pianist Gottfried Galston, der Universitätsprofessor Robert Piloty und der Münchner Architekturstudent Jorge Bunge aus Buenos Aires), den seine Frau gemeint haben dürfte: „Abends bei Dr. Bernstein Sandra Drucker und ihr Mann Prof. Piloty und Frau. Prof. Arnold Herr Bunge aus Argentinien Tangotänzer.“ [Tb] u. wie
deprimiert ich nachher war. Sie war wirklich sehr lieb u. herzlich mit mir u.
sagte, dies sei auch nicht die Gesellschaft in der man sich wohl fühlen könne.
Später begrüßten mich noch Pariser u. Holitscher; mit Letzterem gieng sie |
dann in’s Theater, ich fuhr nach Hause. Sie will morgen nochmals anrufen, ich
werde ja wohl hingehen müssen. Hoffentlich hast Du nichts dagegen. Ich möchte
wirklich nichts tun, was Dir nicht angenehm wäre.
Ich hoffe von Herzen, dass es Dir gut gehen/t/ u. die
ProbenProben für die Uraufführung von „Simson“ am Lessingtheater in Berlin am 24.1.1914. nicht zu anstrengend sind!
Deine Briefe liegen Nachts unter meinem Kopfkissen. Leb wohl
innigst geliebter Frank, 1000 Küsse,
Deine Tilly
Küsse von den Kindern.