Eden Hôtel – Rome
SUCCURSAL: EDEN HOUSE – LUCERNE
Franz Nistelweck
4.7.13.
Geliebte Tilly!
Empfang meinen herzlichsten Dank für Deine beiden
ausführlichen Briefevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 30.6.1913 und 2.7.1913. und die beiden schönen KartenBildpostkarten mit Schloss Lenzburg als Bildmotiv [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 29.6.1913 und 1.7.1913].. Ich möchte Mama nicht gerne
ins Haus fallen solange Mieze da ist es da das doch zu viel für Mama
werden könnte. Vielleicht schreibst Du mir also, wenn du es unter der Hand erfahren hast wie lange
Mieze bleibt. Ich kann von hier aus in 24 Stunden in Lenzburg sein. Man fährt
hier abends sechs ab und ist Abends 6 in Zürich.
Leider habe ich in Folge einer Erkältung | seit gestern frühWedekind notierte am 3.7.1913: „Erkältung Darmkatarrh.“ [Tb]
einen Magenkatarrh. Das Unangenehmste ist vorbei. Ich habe aber seit 24 Stunden
nichts gegessen. Heiß ist es hier gar nicht. Es hat heute sogar wieder
geregnet. Übrigens erhole ich mich von den Überanstrengungen während des
Katarrhes gerade so gut wie sonst auch. Es tut mir sehr leid daß Du
Unannehmlichkeiten mit den Dienstboten hast. Der getroffene Wechsel war ja wohl
das richtigste.
Mit Dr. Barth gehe ich sehr vorsichtig
um da er ein starker Trinker ist. Ich habe ihn diese Woche erst einmal gesehen
und werde ihn im ganzen vielleicht etwa noch zweimal sehen. Allerdings hat er
eine Tochternicht identifiziert., die aber nicht für mich existiert, vorausgesetzt daß ich aus/durch/
ihrem Vorhandensein nicht Unannehmlichkeiten haben sollte. Da Dr. Barth das einzige menschliche Wesen ist, das ich hier
kenne, so wäre es mir natürlich | nicht angenehm vollständig auf seinen Verkehr
zu verzichten. In den letzten Tagen war ich hauptsächlich in der Villa BorgheseParkanlage in Rom. Wedekind notierte den Aufenthalt dort täglich vom 29.6.1913 bis 1.7.1913 und dann wieder vom 4. bis 6.7.1913 [vgl. Tb]. wo es sich ausgezeichnet
arbeiten läßt. Mit meiner ArbeitWedekind arbeitete am 3. Akt seines Versdramas „Simson“ [vgl. KSA 7/II, S. 1266]. bin ich vorderhand allerdings
nicht sehr zufrieden. Aber das bedrückt mich nicht, da ich so viel wie ich für
die GesammtausgabeWedekinds „Gesammelte Werke“ im Georg Müller Verlag; 1912 sind Band 1 und Band 2 erschienen, 1913 folgten die Bände 3 bis 5. brauche, jedenfalls fertig habe.
Ich bitte Dich, liebe Tilly, laß Dich durch diesen Brief
nicht verstimmen. Bei dem Magenkatarrh ist es nicht gut möglich, anderer
Stimmung zu sein. Ich bitte Dich auch, niemanden etwas davon zu erzählen sonst
kommen alle mit guten Ratschlägen und ich habe dann
die acht Tage die ich gerne noch hier bleiben möchte erst recht keine Ruhe
mehr. Hier giebt es für mich noch eine Menge zu sehen und das wobei ich mich am
meisten erhohleSchreibversehen, statt: erhole., ist das Alleinsein. Ich glaube auch nicht, daß | ich es
anderwärts gleich wieder so gut mit dem Hotel träfe.
Nun lebwohl, geliebte Tilly. Grüße Mama und küsse die Kinder
von mir
In treuer Liebe
Dein
Frank