T. W.
Lenzburg,
23.VI.13.
Geliebter Frank,
herzlichen Dank für Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.6.1913.! Ich freue mich
sehr, dass es Dir so gut gefällt und ich kann mir denken wie glücklich Du Dich
in all der Schönheit fühlst!
Wir haben Gottlob auch wieder schönes Wetter. Gestern Nachmittag
gieng ich mit AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] und den Kindern spazieren, abends giengen Großmutter, Anna
Pamela u. ich noch zu den Buchen. |
Abends las ich noch ziemlich lang in einem Manuscript von Fr. Dr. PariserEin Buch von Erna Pariser über Leonardo da Vinci – eine Biografie oder ein Roman – ist gedruckt nicht nachzuweisen. Ihr von Tilly Wedekind ebenfalls im Manuskript gelesenes Drama „Leda“ (1915) [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.6.1913 und 20.6.1913], erschienen unter ihrem Pseudonym Erna Ludwig, hat Leonardo da Vinci als männliche Hauptfigur. und
gieng als Letzte schlafen. Dieses letzte Buch gefiel mir wirklich gut, es ist
spannend u. hat eine sehr hübsche
Sprache. Es handelt von Leonardo da Vinci, seinen Werken und seinen
wissenschaftlichen U/F/orschungen. Wie weit die Handlung auf Tatsachen
beruht kann ich natürlich nicht beurteilen. Vielleicht hat Mama ein Conv. Lexikon.
Uns geht es allen ausgezeichnet; von Martha bekomme ich noch
die Hälfte des Geldes„Tilly bezieht sich auf das Fahrgeld für ihre Schwester Martha, welche die beiden Kinder Anna Pamela und Fanny Kadidja am 3.6.1913 mit dem Zug von München zu ihrer Großmutter nach Lenzburg gebracht hatte“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 210]; Martha Newes fuhr dann von Lenzburg über Innsbruck nach Graz zu ihren Eltern., also über 50 Frs. zurück. | Sie hat mir die genaue Abrechnung geschickt
und hat natürlich ihre Rückreise nur bis Innsbruck mitgerechnet. Mama hat
vorläufig auch noch Geld. Aber vielleicht könntest Du bis zum 1. Juli wieder
etwas schicken, vielleicht 100 M. Dann sind die Kinder doch schon 4 Wochen u. ich 2 Wochen da. Erst
dachte ich wir müssten, wenn Mieze kommt, fort. Ich hatte mit Mama die ganze
Angelegenheit besprochen. Sie meinte, da eigentlich Mieze im UnrechtAnspielung auf einen Streit mit Erika Wedekind am 7.2.1913 in Dresden: „Mieze und Eva holen Tilly ab. Mittagessen bei Mieze. Krakel. Aus dem großen Garten telephoniere ich an Mieze. Treffe Tilly zu Hause.“ [Tb] Um was es ging, ist unklar. Wedekind notierte am 12.7.1913 in Lenzburg: „Versöhnung mit Mieze.“ [Tb] sei würde
sie uns das viel weniger verzeihen können, | als wenn wir Unrecht hätten. Nun
kam aber vorige Woche eine KarteDie wohl an ihre Großmutter Emilie Wedekind adressierte Postkarte von Eva Oschwald mit Grüßen ihrer Mutter Erika Wedekind ist nicht überliefert. von Eva wo sie schrieb, sie freue sich sehr uns
zu sehen u. ihre Mama lässt alle grüßen. Großmutter fragte nochmals an und
Mieze schreibtErika Wedekinds an ihre Mutter Emilie Wedekind adressiertes Schreiben sowie deren Anfrage sind nicht überliefert. heute auch, dass sie sich freut uns zu sehen. Sie kommt erst
Samstagder 5.7.1913. über 8 Tage am 5. und hat am 6. hier ein Conz/c/ertam 6.7.1913 in Lenzburg, ein Wohltätigkeitskonzert: „Das von Frau Erika Wedekind, unter gefälliger Mitwirkung der Herren Cellisten Emil Braun und Joseph Schlageter (Basel), zugunsten der Kinderfürsorge veranstaltete Konzert am 6. Juli hatte einen großen Erfolg. Bei dichtbesetztem Saale erledigten die Sängerin und die zwei Basler Künstler ihr abwechslungsreiches Programm. Ueber das Konzert, das auch einen großen, finanziellen Erfolg zu verzeichnen hat, und in dem Frau Erika Wedekind ihre schönsten Weisen in vollendeter Kunst erklingen ließ, herrscht nur eine Stimme des Lobes. Herr Braun und Herr Schlageter gaben vorbildlich einige Konzertstücke wieder. Frau Wedekind und die beiden Herren haben sich für ihr selbstloses, gemeinnütziges Vorgehen den öffentlichen Dank verdient.“ [Ein Wohltätigkeitskonzert in Lenzburg. In: Neue Zürcher Zeitung, Jg. 134, Nr. 187, 8.7.1913, 2. Abendblatt, S. (2)] Es handelte sich zugleich um ein Abschiedskonzert, wie die Presse meldete: „In einem Wohltätigkeitskonzert in Lenzburg hat Erika Wedekind, die frühere Leuchte der Dresdener Hofoper, von der Oeffentlichkeit Abschied genommen. Sie gedenkt in Zukunft weder auf der Bühne noch in Konzerten mehr aufzutreten.“ [Erika Wedekinds Rücktritt. In: Oberländer Tagblatt, Jg. 37, Nr. 180, 5.8.1913, S. (1)]. Am 11. im/st/
dann glaub ich das Jugendfesttraditionelle jährliche Festveranstaltung in Lenzburg [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 181], die in diesem Jahr am 11.7.1913 (Freitag) stattfand.. Dann kommt auch noch Ännchen.
So ist das nun also in Ordnung und wir bleiben noch hier.
Anbei ein Telegrammnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Schutzverband Deutscher Schriftsteller an Wedekind, 21.6.1913. – Der Absender geht aus einer späteren Bemerkung Tilly Wedekinds hervor [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 25.6.1913]., das heute im Couvert nachgeschickt wurde.
Grüße u. Küsse von allen. In herzlicher Liebe,
Deine Tilly