München, 17 April 06.
Lieber Wedekind!
Wenn wir Ihre Kartenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Max und Anna Langheinrich, 16.4.1906. richtig verstanden haben, so waren oder
sind Sie im Begriff sich zu verheirathen, und obgleich wir den ZeitungsnotizenDie Presse notierte: „Frank Wedekind hat, wie das Wiener ‚Fremdenblatt‘ zu melden weiß, seinen Freunden angezeigt, daß er am 12. April die Schauspielerin Fräulein Tilly Newes, die im Vorjahre am Wiener Jubiläumstheater wirkte, zum Traualtar (?) führen werde. – Ob die Freunde Wedekinds in dieser Sache besser unterrichtet sind als seinerzeit mit der ‚epochemachenden‘ Ankündigung des ‚Männerstolz vor Schweinebraten‘ als einer neuen Schöpfung des Schriftstellers, mag vorerst dahingestellt bleiben!“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 59, Nr. 165, 7.4.1906, Morgenblatt, S. 3] Tilly Newes und Frank Wedekind heirateten am 1.5.1906 in Berlin.
nicht vollständig trauen, die den 12 April als den Tag Ihrer Hochzeit angeben,
so hoffen wir doch, daß man | Ihnen jetzt seinen Glückwunsch darbringen kann;
ich gratuliere Ihnen also herzlichst zu Ihrer Verheirathung. Für Sie wird
die Ehe jedenfalls
ein großes Glück sein, hoffentlich auch für Ihre Frau! – – – –. Was sagt denn
Ihre Braut dazu – ich meine die WienerinBerthe Marie Denk, mit der Wedekind von Frühjahr 1905 bis Anfang 1906 eine Liebesbeziehung unterhielt, schrieb ihm bereits zu Beginn dieser Beziehung: „Aber natürlich sind wir Braut u. Bräutigam, wie kannst Du daran zweifeln?“ [Berthe Marie Denk an Wedekind, 8.5.1905] Am Tag zuvor hatte Wedekind seiner Mutter geschrieben: „Ich glaube sogar beinah, daß ich mich verlobt habe; ich weiß es aber noch nicht ganz bestimmt und bitte daher, mir vorderhand noch nicht zu gratulieren.“ [Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 7.5.1905] – wenn sie plötzlich einen
verheiratheten Bräutigam hat?
Langheinrich meint, ich solle nicht so viele Gemeinplätze
schreiben, und kann daher fortfahren. |
Aus den letzten Worten meiner Ehetrautin„ein älterer ausdruck für eheliebste“ [DWB, Bd. 3, Sp 51]. Anna von Seidlitz und Max Langheinrich hatten am 11.9.1905 geheiratet. kannst Du ersehen,
daß Einwände nicht viel helfen, denn ganz vollständig hat sie die Hosen noch nicht erobert. Jedenfalls aber benütze ich den
Raum, der mir geboten wird, um Dir, mein verehrter Frank,
auf das herzlichste zu gratulieren. Ihr aber, die es verstanden hat, den
Gaumen des verwöhntesten Gourmets auf so lange Frist lüstern zu machen, Ihr,
dieser Auserwählten unter den Weibernironische Anspielung auf Maria im Neuen Testament in Anlehnung an Mariä Heimsuchung in Lukas 1,42: „Du bist gebenedeit unter den Weibern“., lege ich meine aufrichtigste Bewunderung
zu Füßen.
Dein erstaunter
Max Langheinrich.