T. W.
München,
18.VI.12.
Innigst geliebter Frank,
ich hatte eine ganz angenehme Fahrtvon Berlin nach München am 17.6.1912, da sie sich nach dem anstrengenden Gastspiel vom 1. bis 15.6.1912 am Deutschen Theater zu Berlin „krank“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 170] fühlte.; die jüngere der beiden Damen
teilte mir/t/ mir das CoupeeCoupé, abgeschlossenes Eisenbahnabteil, hier: Schlafwagenabteil., u. es war gar nicht so unangenehm wie ich
gefürchtet hatten. Sie war sehr rücksichtsvoll, fragte ob sie das Licht
auslöschen soll u. wünschte mir sogar eine gute Nacht.
Ich frühstückte im Speisewagen | fuhr dann nach Hause, wusch
u. friesierteSchreibversehen, statt: frisierte. mich, so vergieng der Vormittag. Mittags aß ich bei Frau Albubei der befreundeten Jenny Albu, der Gattin des Schriftstellers Eugen Albu (Kufsteinerstraße 2, 3. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1913, Teil I, S. 6]. die mich dann zu Dr. Hauschildzu dem Hausarzt Dr. med. Johannes Hauschildt (Nikolaistraße 7) [vgl. Adreßbuch für München 1913, Teil I, S. 233]. begleitete. Ich wollte
das Urteil eines Arztes hören. Gott sei Dank hab’ ich nichts auf der Lunge,
aber ich bin sehr herunter sagt Hauschild u. gründliche Erholung sei nötig. Ein
paar Wochen in Lenzburg genügen nicht. |
Ich werde also vorläufig keine Mädchen aufnehmen, werde mich
morgen mit Hilfe der Hausmeisterindie als „Hausmeisterin“ [Adreßbuch für München 1913, Teil I, S. 604] ausgewiesene Christine Schreier, die entweder schon in der Dachauerstraße 135 [vgl. ebd.] oder noch in der Heßstraße 80 [vgl. Adreßbuch für München 1912, Teil I, S. 585] wohnte – zuständig für das Haus Prinzregentenstraße 50 und wohl eine Verwandte des Tischlers Joseph Schreier (Prinzregentenstraße 50, 4. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1913, Teil I, S. 604], der im selben Haus wie Wedekind wohnte. reisefertig machen u. Donnerstagder 20.6.1912, an dem Tilly Wedekind mit den Kindern nach Lenzburg zu ihrer Schwiegermutter fuhr, um sich dort zu erholen. nach
Lenzburg fahren, immer vorausgesetzt dass es Dir recht ist. Wenn ich mal mit
Mama gesprochen habe, kann man weitere Beschlüsse fassen. Ich werde ja sehen
wie lange sie uns behalten will, u. wvielleicht hast Du Dir dann | auch
überlegt, wie wir es machen wollen. Ich glaube, wenn wir den ganzen Juli für
Erholung rechnen, ist es nicht zu viel. Jedenfalls bleibe ich, wenn’s Dir recht
ist, solange Mama mich behält in Lenzburg.
Heute ist der große TagDas Bankett zu Ehren Wedekinds am 18.6.1912 im Hotel Esplanade (Bellevuestraße 16-18a) in Berlin – er notierte: „Festessen im Esplanade Hotel.“ [Tb]! Ich denke viel an Dich Geliebter!
Hoffentlich wird es eine recht schöne Feier! Ich hoffe, Dir nicht Angst zu
machen, mir fehlt nichts, nur Kräfte. Besonders wenn wir im Winter wieder etwas
unternehmen wollen.
Wie fühlst Du Dich?
[um 90 Grad gedreht am
linken Rand:]
Grüße Bertl u. sei Du innigst geküsst Geliebter
von Deiner treuen Tilly