T. W.
Freitagder 12.1.1912..
Innigst geliebter Frank,
ich habe Dir gestern Abendvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 11.1.1912. u. heute Abend geschriebenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 12.1.1912 (erster Brief).! Ich bin
schon in tausend Ängsten was mit Dir ist! Wenn morgen keine Nachricht kommt,
weiß ich nicht, was ich tun soll.
Doch Frank, ich hätte das Zeug froh u. glücklich zu sein mit
Dir, dass es | mir so schwer fällt ist nicht allein meine Schuld.
Im Lustspielhaus war’s sehr lustigTilly Wedekind, die zwei Premierenkarten hatte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 11.1.1912], besuchte am 12.1.1912 gemeinsam mit ihrer Schwester Martha Newes die Premiere von Johann Nestroys Posse „Einen Jux will er sich machen“ am Münchner Lustspielhaus (Direktion: Eugen Robert); die Vorstellung begann um 19.30 Uhr und dauerte bis etwa 22 Uhr [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 65, Nr. 18, 12.1.1912, Generalanzeiger, S. 2]. Die Presse sprach von „ausgelassenen Szenen“ und fasste zusammen: „Alles in allem ein lustiger Abend, wie er einer ernsthaften Bühne im Karneval wohl ansteht, und für dessen Gelingen sich das zahlreiche Publikum dadurch bedankte, daß es die Darsteller und Direktor Robert am Schlusse viele Male an die Rampe rief.“ [Lustspielhaus. Zum ersten Male: Einen Jux will er sich machen. Posse von Nestroy. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 65, Nr. 21, 14.1.1912, Vorabendblatt, S. 2], ich glaube Robert ist
heute abend zum Reinhardt von MünchenMax Reinhardt in Berlin hatte durch seine erfolgreichen modernen Inszenierungen am Deutschen Theater und an den Kammerspielen des Deutschen Theaters einen außerordentlich Ruf, der hier prognostiziert wird für Eugen Robert, seit 1911 in München Direktor des Lustspielhauses (es hieß zunächst kurzfristig Theater zum großen Wurstel, dann ab Herbst 1912 Kammerspiele), der zuvor in Berlin Direktor des Hebbel-Theaters war. Seinen Erfolg hat die Presse regelmäßig registriert, so bereits im Vorjahr: „Das Münchener Lustspielhaus, das unter der Direktion Dr. Eugen Robert erfreulich in die Höhe strebt, ist mit den Vorbereitungen für die Winterspielzeit, in der die Direktion ihre künstlerischen Absichten auf einer breiteren Basis zu verwirklichen gedenkt, vollauf beschäftigt. Es wurden u. a. folgende Bühnenwerke erworben: [...] Frank Wedekind: Oaha“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 413, 5.9.1911, Vorabendblatt, S. 3] geworden. Ich war mit Martha. Ich habe
mich so tadellos benommen, dass ich nur wünsche Du hättest mich gesehen. Du
hättest Deine Freude an mir gehabt.
Aber wer weiß, ob Du überhaupt noch Freude an mir hast. |
Schicke Dir gleichzeitig noch einen Briefnicht ermittelt. nach.
In innigster Liebe
Deine Tilly
Wann kommst Du?