Einschreiben.
Dresden,
30. Mai 00.
Lieber
Frank!
Deinem
Wunsche gemäßEine Rücknahme der Vertretungsvollmacht Walther Oschwalds gegenüber dem Nachlassverwalter des Erbes seiner verstorbenen Tante Auguste Bansen in Hannover, dem Rechtsanwalt Hans Heiliger, hatte Wedekind nicht explizit gefordert [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 29.5.1900] (zu der Erbschaftsangelegenheit siehe die Korrespondenz Wedekinds mit seinem Schwager seit dem 6.1.1900). habe ich heute Herrn Heiliger gegenüberDer Brief Walther Oschwalds an Hans Heiliger ist als Entwurf überliefert und folgt auf demselben Doppelblatt unmittelbar auf den Entwurf des vorliegenden Briefs. Er lautet: „Herrn Rechtsanwalt / Hans Heiliger II / Hannover. / Sehr geehrter Herr! / Da Herr Franklin Wedekind in München die Vertretung seiner Interessen in der Erbschaftsangelegenheit Wedekind in Hannover nunmehr selbst besorgen will, sehe ich mich andurch veranlaßt, die von Franklin Wedekind auf mich ausgestellte Vollmacht ausdrücklich zu widerrufen. / Ich ersuche Sie daher ergebenst, die Ihnen s. Zt. übermittelte Vollmacht des Herrn Franklin Wedekind diesem oder mir zurückzusenden. / Mit vollkommener Hochachtung / W.O.“ Der Brief wurde gleichzeitig mit dem Brief an Wedekind aufgegeben, wie der überlieferte Posteinlieferungsschein belegt. Deine/die/ mir
ertheilte Vollmacht gekündigt und widerrufe S/s/ie ammitSchreibversehen, statt: anmit; (schweiz.) hiermit. auch Dir
gegenüber.
Als ich
Dir meine Vertretung anbot, dachte ich Dir dadurch einen Gefallen zu erweisen.
Ich habe auch alles nach | bestem Wissen und Gewissen gethan, was zu thun war.
Obschon
Du diese Thätigkeit nicht kennst, verurtheilst Du S/s/ie, und legst indem Du Dir ohne genaue Kenntniß di/aller/ Thatsachen die Angelegenheit nach
Ideen und falschen Vorstellungen zurechtlegst.
Es ist
das die Art aller Quärulanten, die
sich für überall angeblich
Ver Feinde, Verfolgten/ung/, und Kränkung in ihrem Rechte Verkürzten/ung/ halten/sehen. Ich habe in meiner 11jährigen
amtlichen | Thätigkeit wiederholt solche Menschen kennen gelernt; gewöhnlich
rekrutirten S/s/ie sich aber aus den ungebildeten Kreisen.
Ich
möchte nur noch kurz folgendes feststellen:
1.)
Wenn ich sagtein einem nicht überlieferten Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 28.5.1900., Heiliger habe meinen BriefDas Schreiben Walther Oschwalds an Hans Heiliger ist nicht überliefert. nicht gelesen, so meinte ich
natürlich: nicht richtig gelesen oder
verstanden. EsEbenso ist es auch ohne
weiteres klar, dass ich
ihn sofort über das Mißverständnißdass Frank Wedekind getauft sei [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 18.4.1900 und die folgende Korrespondenz mit seinem Schwager]. das auch den Mittheilungen an Dichin früheren Briefen Walther Oschwalds an Wedekind, die, außer dem vorliegenden Entwurf, nicht überliefert sind. zu Grunde lag, aufklärte, dasversehentlich gestrichen. übrigens
ganz bedeutungslos ist, aufklärte. |
2.) Die
SchadloshaltungserklärungUm die Auszahlung des Erbes zu beschleunigen, hatte sich Wedekind verpflichtet, für Ansprüche eventuell auftauchender Erbberechtigter aufgrund eines möglichen Testaments zu haften [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 14.5.1900]., die du Heiliger ausgestellt hast, ist jetzt
bedeutungslos geworden, da inzwischen gerichtlich durch Zeugen festgestellt wordenfehlende Korrektur, statt: werden. istkonnte, dass Tante Auguste ihr Testament vernichtet hat. Die
Rückforderung der Erklärung wird also den anderen Erben die Sache nicht
verderben.keinen
Einfluß auf die Sache haben.
3.) Ich
halte die Angelegenheit nun dem Abschluß nahefür soweit gediehen, daß die Erledigung Entscheidung
nahe bevorsteht. Wenn Du
Dir einbildest, Du habest sie gefördert, so entspricht das den Thatsachen
nicht. |
4.) Ich
habe keine Veranlassung oder Absicht, Herrn Heiliger gegen deine
VerdächtigungenWedekind vermutete, Hans Heiliger zöge das Verfahren absichtlich in die Länge, um mehr Honorar abrechnen zu können [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 28.5.1900 und 29.5.1900]. in Schutz zu nehmen. Sein Verhalten ist vielleicht durch
Verhältnisse bestimmt, die wir nicht kennenEr hat sich nach dem Gesetze und nach den Auflagen des
Gerichts zu richten;
irgend etwas unredliches habe ich bis jetzt nicht zu entdecken vermocht. Nicht
ich, sondern das Gericht, hat ihn übrigens zum Liquidatorhier Bezeichnung für die mit der Abwicklung eines Erbfalls vom Nachlassgericht beauftragte Person. bestellt.
5.)
Trotzdem ich nicht gerne von mir spreche, möchte ich doch | die Bemerkung mir
erlauben, daß man mich nicht wegen meiner Dummheit in die verschiedenen
Stellungen berufen hat, die ich bis jetzt bekleidete, und daß ich denn doch
schon ganz andere Sachen zu besorgen hatte, als diese Erbschaftsangelegenheit.
W.O.
2
Schreiben von Heiliger zurückWedekind hatte seinem letzten Brief zwei Korrespondenzstücke Hans Heiligers beigelegt [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 29.5.1900]. Die Korrespondenz zwischen Frank Wedekind und Hans Heiliger ist nicht überliefert.!