Kennung: 3281

Wien, 2. März 1910 (Mittwoch), Kartenbrief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Tilly

Inhalt

Frau Tilly Wedekind
München.
Prinzregentenstrasse 50. |


Innigst geliebte Tilly! Meine Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 27.2.1910. und meinen Kartenbriefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 28.2.1910. wirst Du nun auch erhalten haben. Herzlichen Dank für Deinen lieben Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.2.1910. von Montag. Ich freue mich sehr, daß es euch beiden gut geht. Am Montag Abend war ich mit drei KritikernWedekind war am 28.2.1910 (Montag) mit Max Messer, Schriftsteller und Rechtsanwalt, der für die Wiener Wochenzeitung „Die Zeit“ lange als Redakteur tätig war, Camill Hoffmann, Feuilletonredakteur der Wiener Tageszeitung „Die Zeit“, und Hugo Bettauer, Feuilletonredakteur der Wiener „Neuen Freien Presse“, den Wedekind aus München kannte: „Bettauer gehörte als Henkersknecht zum Ensemble der ‚Elf Scharfrichter‘“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 127], bei Hartmann (Kärntnerring 10), dem von ihm gern besuchten Restaurant: „Mit Max Messer, Camillo Hoffmann und Bettauer bei Hartmann.“ [Tb] Dort traf er dem vorliegenden Brief zufolge auch nochmals Anton Geiringer, den er tagsüber im Deutschen Volkstheater aufgesucht hatte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 28.2.1910]. bei Hartmann, wo mir Geiringer noch einmal wiederholte daß an ein Gastspiel im Traum nicht zu denken war/sei/. Gestern nach Tisch fuhr ich nach HüttendorffSchreibversehen, statt: Hütteldorf (dem westlichen Wiener Stadtteil mit eigenem Bahnhof). hinaus um eine neue Kirche zu besichtigenWedekind notierte am 1.3.1910 für den Nachmittag: „Fahrt nach Hütteldorf. Besichtige die Kirche in Steinhof.“ [Tb] Die 1904 bis 1907 nach Plänen des Wiener Architekten Otto Wagner für das Psychiatrische Krankenhaus Steinhof erbaute Kirche „gilt als eines der bedeutendsten Bauwerke des Wiener Jugendstils.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 127] von der mir ein JournalistHermann Menkes (Literatur- und Theaterreferent des „Neue Wiener Journals“), wie Wedekind am 1.3.1910 für den Vormittag notierte: „Dr. Menkes sucht mich auf. Spaziergang im Stadtpark und Belvederepark. Ich schütte ihm mein Herz aus.“ [Tb] Er veröffentlichte das mit dem Autor geführte Interview [vgl. Hermann Menkes: Ein Gespräch mit Frank Wedekind. In: Neues Wiener Journal, Jg. 18, Nr. 5880, 6.3.1910, S. 4-5]. erzählt hatte, mit dem ich am Morgen eine eingehende Besprechung über unsere Schauspielerei | hatte. Gegen Abend brachte ich das Lulumanuscriptdas Typoskript „Lulu. Tragödie in fünf Aufzügen von Frank Wedekind“ (1910), dessen „Umschlagblatt dokumentiert“, dass es „für die geplante Aufführung an der Neuen Wiener Bühne eingereicht und von der Zensurbehörde am 13.VII.1910 abgelehnt wurde.“ [KSA 3/II, S. 866] Wedekind hat es dem vorliegenden Brief zufolge der Neuen Wiener Bühne am 1.3.1910 eingereicht, im Tagebuch allerdings erst am 2.3.1910 notiert (womöglich hat er sich um einen Tag vertan): „Besuch in der Neuen W. Bühne.“ auf die Neue Wiener Bühne und verbrachte den AbendWedekind notierte am 1.3.1910 für den Abend zunächst sein Beisammensein mit dem gerade in Wien gastierenden Schauspieler August Weigert und Hermann Menkes (siehe oben), dann sein Beisammensein mit dem Maler Max Oppenheimer, dem Regisseur Emil Geyer und dem Schriftsteller und Kritiker Alfred Polgar im Lokal Zur großen Tabakspfeife (Graben 29): „Abends mit Weigert und Menkes bei Dominikaner. Dann Tabakspfeife mit Oppenheimer Geier Polgar.“ [Tb] mit Weigert, Geyer und Polgar in der Tabakspfeife. Die N. W. Bühne geht kräftig ins Zeug. Wir sollen in Hidallah und So ist das Leben gastierenGastspiele Wedekinds in „Hidalla“ und „So ist das Leben“ wurden von der Neuen Wiener Bühne nicht realisiert, „Hidalla“ allerdings am 21.4.1913 von der Neuen Wiener Bühne inszeniert.. Dann bekam ich eine Anfrage von Barnowskynicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Victor Barnowsky an Wedekind, 28.2.1910. ‒ Victor Barnowsky, Direktor des Kleinen Theaters in Berlin, hat „Hidalla“ dort zwar schon einmal erfolgreich inszeniert (Premiere: 26.9.1905), die vorgeschlagenen erneuten Aufführungen am 24. und 26.3.1910 kamen aber nicht zustande. ob wir 24. und 26. März Hidalla spielen wollen. Ich verlangteHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Victor Barnowsky, 1.3.1910. 500 M pro Abend. Heute bekomme ich Anfrage vom Hebbeltheaternicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Hebbel-Theater Berlin an Wedekind, 1.3.1910. ‒ Die vorgeschlagene Tournee mit Wedekinds Schwank „Der Liebestrank“ kam nicht zustande. ob wir eine Tournee mit Liebestrank machen wollen. Wilhelm Herzog hat nichts von sich hören lassen. Ich möchte aber die Sache nicht eher wieder aufnehmen als bis ich in München bin. Bruno Cassirer schickt mir | heute eine gleichgültige Cartenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Bruno Cassirer an Wedekind, 1.3.1910.. In den Verlust des Bühnenvertriebes„Strittig war für Wedekind, ob die Bühnenvertriebsrechte an seinen Werken bei Bruno Cassirer lagen. Schließlich wurde zwischen Bruno Cassirer und Wedekinds neuem Verleger, Georg Müller, vertraglich vereinbart, dass die Rechte, sofern sie im Besitz Bruno Cassirers waren, rückwirkend ab dem 15.6.1910 an Georg Müller übergingen [...]. Kurz zuvor hatte Georg Müller [...], der Inhaber seines 1903 gegründeten gleichnamigen Münchner Verlags, von Bruno Cassirer die Rechte an Wedekinds Werken erworben und den Bücherbestand übernommen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 128] scheint er sich also schon gefunden zu haben.

Geliebteste Tilly! Ich freue mich sehr darauf, endlich einmal wieder bei Dir zu sein. Morgen MittagWedekind notierte am 3.3.1910 seine Abreise zur nächsten Lesung: „Abfahrt von Wien. Versäume umzusteigen, fahre bis Abends 8 Uhr. Vortrag in Olmütz.“ [Tb] fahre ich nach Olmütz. Mein Husten ist besser geworden. Ich bitte Dich, fleißig Stein der Weisen zu lernen. Je besser Du den Text kannst um so mehr Vergnügen wird das Einstudieren machen. Heute Nachmittag werde ich noch einen Kritikerden Schriftsteller und Journalisten Stefan Großmann, Redakteur der Wiener „Arbeiter-Zeitung“, wie Wedekind am 2.3.1910 für den Nachmittag notierte: „Besuch bei Stephan Großmann auf der Arbeiterzeitung“ [Tb]. aufsuchen und heute AbendWedekind notierte am 2.3.1910 für den Abend: „Mit Weigert und zwei Herrn in der Tabakspfeife.“ [Tb] wieder mit Weigert Geyer, Polgar und Menkes zusammentreffen.

Innigste Küsse Dir, geliebte Tilly und unserer lieben Annapamela.

Bleibt gesund!

In treuer Liebe
Dein
Frank.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 3 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent. Empfängeradresse in lateinischer Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Bleistift.
Schriftträger:
1. Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 12,5 x 7,5 cm. Gelocht. 2. Liniertes Papier. Einzelblatt. 10 x 16,5 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hoch- und Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Der Schreibübergang von der beschriebenen Seite 2 auf die Seite 3 des Kartenbriefs ist fließend, da die zu beschreibende Innenseite des Doppelblatts als eine Schreibfläche genutzt wurde. Das Einzelblatt, die beschriebene Seite 4, ein aus einem Notizbuch herausgeschnittenes Blatt, war in den Kartenbrief eingelegt. Der Kartenbrief ist mit einer aufgedruckten Briefmarke von 10 Hellern frankiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Das Datum des Poststempels – 2.3.1910 – darf als Schreibdatum angenommen werden.

Uhrzeit im Poststempel Wien: „4“ (= 16 Uhr).

  • Schreibort

    Wien
    2. März 1910 (Mittwoch)
    Ermittelt (sicher)

  • Absendeort

    Wien
    2. März 1910 (Mittwoch)

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
234-235
Briefnummer:
347
Kommentar:
Neuedition: Vinçon 2018, Bd. 1, S. 152 (Nr. 220).
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 320
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 2.3.1910. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (23.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

16.09.2023 11:40