T. W.
München,
27.II.10.
Geliebter Frank,
hier ist das Bild von unserm KindDas Foto von Pamela Wedekind liegt dem Brief nicht mehr bei.. Wenn ich es gegen das von
vorigem Weihnachten halte, wo ich liege und sie neben mir steht, sehe ich
deutlich wie sehr sie sich entwickelt hat. Ich schickte gleich eines an meine
Mutter und glaube, dass sie sich sehr darüber freuen wird!
Wie war die Fahrt? Hast Du | ein Zimmer nach Deinem Wunsch
erhalten? Die Bücher habe, Zensur und Totentanz habe ich an Gutmann
geschickt.
Ich wäre gern zu BölscheWilhelm Bölsche hielt am 28.2.1910 im Saal des Münchner Hotels Vier Jahreszeiten um 20 Uhr einen Vortrag mit dem Titel „Die Rätsel in der Entstehung des Menschen“ [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 63, Nr. 97, 28.2.1910, S. 2]. gegangen, dachte aber nicht daran,
dass heute Sonntag ist und das MädchenAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125]. Ausgang hat. Ich will dann eben mal mit
Anna Pamela zu Henckell’s fahren vielleicht haben sie Verwendung dafürfür die Karten für Wilhelm Bölsches Vortrag (siehe oben).. Heute ist abscheuliches Wetter Regen und Schnee.
Wir werden Nachmittags zu | Hause bleiben, ich will Briefe schreiben und Stein
der Weisen lernen. Ich hoffe nur, dass in Wien das Wetter besser ist, und Du
spazieren gehenFrank Wedekind notierte am 27.2.1910 in Wien: „Prächtiger Spaziergang am Donauspitz“ [Tb], am 28.2.1910 besuchte er das Grab seines Bruders Donald Wedekind auf dem „Döblinger Friedhof“ [Tb], am 1.3.1910 notierte er: „Spaziergang im Stadtpark und Belvederepark“ [Tb]. kannst. Wie geht es Dir denn? Frank, wenn Dein Husten nicht
besser wird, dann sag’ doch lieber die übrigen Vorträge ab! Mir ist sehr bang,
bis Mittwoch über acht Tage sollst Du unterwegs sein und dann am Ende noch
dieses Wetter! |
Frau Langheinrich haben wir gestern besucht, sie bleibt wohl
noch die Woche hier u. wollen wir öfter zusammen sein. Mit Frau Steinrück will
ich am Dienstag in die SchackgalerieDie 1909 eröffnete Schack-Galerie (Prinzregentenstraße 9), eine Gemäldegalerie, welche die bedeutende Kunstsammlung des Dichters, Kunst- und Literarhistorikers Adolf Friedrich Graf von Schack beherbergte, lag gegenüber von Wedekinds Wohnung (Prinzregentenstraße 50)..
Bitte mein lieber Frank, schreib’ mir recht bald ein paar
Zeilen, wie Du Dich befindest.
Innigst umarmt Dich
Deine Tilly