Lieber Walther,
ich beeile mich deine Zeilennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 5.1.1900. zu beantworten. Vor
allen Dingen meinen Dank für die GummischuheWedekind hatte aufgrund undichter Stiefel seinen Schwager um Gummiüberschuhe gebeten, außerdem um Briefpapier und Kuverts [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 27.12.1899]., die vollkommen ihren Zweck erfüllen
(Papier habe ich schon hineingestopft) und für das Briefpapier.
Was Donald betrifft kann ich dein Verhalten nur
billigen, aber reg dich doch nicht darüber auf! Er soll sich aufregen,
je mehr desto besser. Derartige | TelegrammeDonald Wedekinds Telegramm an Walther Oschwald sowie dessen Antwort sind nicht überliefert. sind natürlich unmöglich. Ich
bitte dich sowohl wie Mieze (an die er sich eventuell wieder wenden könnte)
kein derartiges Telegramm zu beantworten. Ich werde Donald schreiben daß ich
das gethan habe und daß ich die volle Verantwortung dafür übernehme, weil ein solcher
Verkehr unwürdig und unanständig ist, und ihn selbst unmöglich macht. Wenn Du
nun nicht den Verkehr mit ihm abgebrochen hättest dann hätte ich deinen
Vorschlag betreffend sein ErbtheilWedekinds Tante Auguste Bansen, die jüngste Schwester seines Vaters, war am 15.12.1899 in Hannover kinderlos gestorben, so dass die Neffen und Nichten auf ein Erbe hofften [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 199f.]. Welchen Vorschlag Walther Oschwald in seinem Brief vom 5.1.1900 bezüglich Donald Wedekinds Anteil machte, ist nicht bekannt. mit allen Mitteln unterstützt. Jetzt nehme
ich die Dinge | wie sie liegen und warte ab. Bei alledem kann ich Dir nicht
verhehlen daß mir sein BriefAnscheinend hatte Walther Oschwald seine jüngste Korrespondenz mit Donald Wedekind an Frank Wedekind weitergeleitet, um seinen Kontaktabbruch zu rechtfertigen. Der genannte Brief Donald Wedekinds an Walther Oschwald ist nicht überliefert. den bei aller Naivetätn den Eindruck
der Aufrichtigkeit macht.
Deinen Vorschlag betreffend die Vertretung in
HannoverWalther Oschwald vertrat Wedekind als Jurist in der Erbschaftsangelegenheit seiner verstorbenen Tante gegenüber dem Nachlassverwalter, dem Rechtsanwalt Hans Heiliger (= Heiliger II) in Hannover (Georgstraße 7) [vgl. Adreßbuch der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Hannover 1900, Teil I, S. 752]. nehme ich mit großem Dank an. Aber es ist ja noch nicht so weit. Wenn
das eintritt, dann laß es mich wissen damit ich Donald darüber schreibe und ihm
den Kopf bei der Gelegenheit zurechtsetze.
Wenn du mich noch einmal besuchenWalther Oschwald hatte Wedekind auf der Festung Königstein sehr wahrscheinlich zuletzt am 20.10.1899 besucht. willst würde
mir das eine große Freude sein; vielleicht bringst | du Mama oder Mieze oder
alle Beide mit. Ich müßte es nur zwei Tage vorher wissen. Für das Anerbieten
der Stiefel danke ich dir. Wenn es durchaus nicht mehr geht werde ich dir
schreiben. Ich hoffen aber es langt noch für die vier WochenWedekinds verbleibende Haftzeit auf der Festung Königstein; er wurde am 3.2.1900 entlassen.. Ich muß
mir doch in Dresden dies und jenes kaufen bevor ich nach Hamburg reiseWedekind plante, sich nach seiner Haftentlassung mit Carl Heine in Hamburg zu treffen [vgl. Wedekind an Otto Eisenschitz, 8.1.1900], der inzwischen dort wohnte (Eichenallee 11), verzeichnet als „Director des Carl Schultze-Theater“ [Hamburger Adreß-Buch 1900, Teil III, S. 256]. .
Grüße Mama und Mieze aufs beste und sei herzlich
gegrüßt
von deinem
Frank
Festung Königstein
6. Januar 1900