Mein lieber Walther,
Dir und Mieze meinen herzlichen Dank für den
schönen Korbdas Begleitschreiben dazu ist nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 23.12.1899., der mir seit seiner Ankunft mein Abendbrot liefert. Ich muß sehr
sparsam damit umgehen, kann ihn nicht zu Naschereien d/s/ondern Nur für
das dringend nöthige verwenden, da ich in Folge des Mangels an Bewegung ohnehin
am Herzen etwas leide. Dadurch versieht er mir natürlich um so bessere Dienste
indem er meinen Ersparnissen zu gute kommt. Ich freue mich sehr | daß Ihr mit
Eurer Zürcher ReiseDie Dresdner Hofopernsängerin Erika Wedekind war gemeinsam mit ihrem Mann Walther Oschwald für ein Gastspiel nach Zürich gereist und sang dort am Stadttheater vom 8. bis 11.12.1899 in Gioachino Rossinis „Barbier von Sevilla“ („Il barbiere di Siviglia“), in Giuseppe Verdis „Rigoletto“ und in „Das Glöckchen des Eremiten“ („Les dragons de Villars“) von Aimé Maillart. zufrieden seid. Im Berliner Tagblatt las ich eine Notiz„Aus Zürich wird uns telegraphirt: Die Sängerin Erika Wedekind vom Dresdner Hoftheater begann im hiesigen Stadttheater ein längeres Gastspiel, wobei der Künstlerin ein herzlicher Empfang bereitet wurde.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 28, Nr. 627, 9.12.1899, Abend-Ausgabe, S. (3)] über
den begeisterten Empfang, der Mieze in Zürich zu theil wurde. Die Feiertage
werden Euch viel Unruhe und Schererei gebracht haben. Um so stiller waren sie
für mich. Ein so eminentes Phlegmaherausragende Trägheit. ich bin beginnt mir die Einsamkeit doch
nachgerade weniger zu gefallen. Aber ich habe ja auch jetzt nur noch einen
Monat vor mir. Ich danke dir für die KritikDie Uraufführung von Wedekinds Einakter „Der Kammersänger“ fand am 10.12.1899 in Berlin unter der Regie von Martin Zickel im Rahmen der Eröffnungsmatinée des Sezessionsbühne am Neuen Theater in Berlin statt (zusammen mit Wilhelm von Scholz’ „Der Besiegte“) erhielt überwiegend positive Kritiken [vgl. KSA 4, S. 392, 395f.]. Welche Rezension Walther Oschwald an Wedekind schickte, ließ sich nicht ermitteln. aber fall bitte nicht darauf herein
und kauf dir das StückWedekinds Einakter „Der Kammersänger“ ist am 4.3.1899 als Neuerscheinung im Verlag Albert Langen in München angezeigt [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr. 52, 4.3.1899, S. 1742]. Der Autor hat die Buchausgabe sehr wohl gedruckt gesehen, denn er hat sie bald nach Erscheinen verschickt [vgl. Wedekind an Beate Heine, 12.3.1899].. Es ist zum Lesen nicht der Mühe werth. Gelegentlich
werde ich dir ein Exemplar schicken können | aber bis heute habe ich es selbst
noch nicht gedruckt gesehen obschon es schon seit einem halben Jahr erschienen
ist.
So schmerzlich es mir ist, lieber Walther, gerade
in diesen Zeilen des Dankes, so erlaub mir doch bitte noch einmal an deine
Gefälligkeit zu appelierenSchreibversehen, statt: appellieren.. Du bist so freundlich sie mir anzubieten, aber ich
liebe es ja wenig, andere zu belästigen wie selbst belästigt zu werden. Ich
hoffe indessen vor meiner Abreise wird es das letzte Mal sein. Mein einziges
Paar Stiefel ist nämlich zerrissen. Mir hier welche zu kaufen ist unmöglich.
Dagegen wäre mir bis zur Entlassung vollkommen durch ein Paar Gummi Überschuhe |
gedient. Darf ich dich bitten mir solche zu schicken. Ich trage als Stiefel die
weiteste Nummer von 42. Dazu müßten sie passen. Natürlich lieber etwas zu weit
als zu eng. Und dann ist hier oben plötzlich das Briefpapier ausgegangen. Das
Couvert in dem ich dir schreibe hat mir die Bedienung geliehen. Es ist mit dem
besten Willen nichts zu haben. Dürfte ich dich also noch um eine Schachtel
Papier und Couverte ersuchen. Ich weiß, lieber Walther daß du mir gerne die
Dienste leistest. Aber sei auch überzeugt daß ich deine Gefälligkeit als solche
vollauf zu schätzen weiß und sie nicht vergeude.
Mit herzlichem Gruß
Dein Frank.