Lieber Walter!
ich danke Dir herzlichst für die Bücher und den
Tabakvorratder Begleitbrief dazu ist nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 15.10.1899. Wedekind saß seit dem 21.9.1899 eine Haftstrafe wegen Majestätsbeleidigung auf der Festung Königstein bei Dresden ab und hatte seinen Schwager offenbar um die Zusendung von Büchern und Tabak gebeten.. Es war doch aber sicher nicht so gemeint. Item(schweiz.) wie dem auch sei. ich rauche auf
unser beiderseitiges Wohlergehen. Die Virginiaslange, dünne Zigarren aus Virginia-Tabak mit Mundstück. sind sehr gut. Französische
Cigaretten giebt es allerdings in Dresden nicht; das fiel mir erst später ein.
Dresden steht dabe/ri/n einzig da unter allen deutschen Städten, was
sich schließlich aus seiner eigenen TabakmanufacturDresden hatte zur Jahrhundertwende rund ein Dutzend Zigarettenfabriken. erklärt.
Mama schreibt mirvgl. Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 13.10.1899. Donald Wedekind hatte demnach seine Schwester Erika Wedekind, die Frau Walther Oschwalds, gebeten, seinen zuvor für 500 Franken verkauften Anteil am Haus Steinbrüchli in Lenzburg für 1000 Franken zurückzukaufen. einige Hiobsposten über Donald und
da sie schließlich an deine Frau gerichtet sind, bin ich so frei, dir gegenüber
| darauf zurückzukommen, obschon ich es sonst für natürlich hielte wenn du sagtSchreibversehen, satt: sagst.:
Das sind Dinge die mich nichts angehen, ich habe meine eigenen Verwandten. Aber
im Interesse deiner Frau sowie wie der Sache selbst würde ich es unmaßgeblichst
für richtig halten, wenn du s/d/ich der Angelegenheit annimmst. Die
Frauen müssen und können nicht verstehen, um was es sich handelt und wenn deine
Frau ihm Geld schickSchreibversehen, statt: schickt. so rutSchreibversehen, statt: ruht. kein Segen darauf.
Vielleicht hältst du es im Interesse deiner Frau
für der Mühe werth die Angelegenheit mit mir zu besprechen. Meine Ansichten um
sie hier schon kurz zu skizziren sind folgende: Donald | muß vor der
Hand in Zürich bleiben denn er ist in einem Zustande der VerlotterungArtur Kutscher schreibt: „so lag er 1899 sechs Wochen im Zürcher Krankenhaus an einer ‚bösen Darmgeschichte‘ und Blutvergiftung durch Morphium; seine Lebensgeister waren gänzlich ermattet, er sah vernachlässigt und heruntergekommen aus.“ [Kutscher 2, 223] der ihn
überall anders unmöglich macht. Man kann sehr viel für ihn thun und zwar nicht
indem man ihm Geld schickt sondern indem man das Geld spart. Dies ist der
Hauptgrund warum ich dir schreibe. Wenn er mit Selbstmorddrohungen e. ct. kommt so liegt die
Sache so daß man sie den Frauen aus der Hand nehmen muß. Du kannst entgegnen
daß das für dich überaus peinlich wäre; das fällt aber weg wenn wir im Eins/v/erständnis
handeln, besonders auch mit Armin. Denke nicht daß ich dir damit irgend etwas
aufhalsen will sondern ich möchte nur Mieze die Verantwortung damit abnehmen.
Ich kann augenblicklich nichts thun, weil ich festgelegt binWedekind wurde erst am 3.2.1900 aus der Haft entlassen.. Obschon ich aber
letzten Herbst in MünchenDonald Wedekind ersetzte seinen Bruder nach dessen Flucht am 30.10.1898 nach Zürich als Theatersekretär am Münchner Schauspielhaus (Direktion: Georg Stollberg). Es kam allerdings bald zum Zerwürfnis, da Donald Wedekind sich gegenüber Stollbergs Frau ungebührlich betragen hat [vgl. Wedekind an Max Halbe, 20.11.1898; Wedekind an Georg Stollberg, 21.11.1898 und 22.11.1898]. nichts als | Mißerfolge mit Donald erzielt habe bin
ich doch durchaus nicht entmutigt im Gegentheil. Wenn ich frei bin und die
Gelegenheit sich mir wieder bietet, werde ich den gleichen Versuch einfach
wiederholen und was das erste Mal nicht gelingt, gelingteSchreibversehen, statt: gelingt. vielleicht das zweite
Mal. Es steht sehr schlimm mit ihm aber man kann ihm unendlich viel helfen und
nützen ohne einen Pfennig auszugeben. Den Weg wie das zu geschehen hätte kann
ich hier nicht ausführen. Ich möchte aber bei Leibe mit diesen Zeilen keinen
Druck auf dich ausüben. Nur habe ich die Überzeugung, daß vor allem auch Miezes
Interessen durch ein praktisches Vorgehen gewahrt werden.
Grüße Deine l. Frau und Mama herzlich von mir und sei bestens
gegrüßt und bedankt von deinem
Frank.
Festung Königstein
16.10.99.