T. W.
München,
Freitagder 26.11.1909..
Mein lieber Frank,
bitte schreib’ mir recht bald wie der VortragWedekind hatte am 26.11.1909 um 20 Uhr im Großen Saal des Conventgartens in Hamburg eine Lesung, bei der er „Totentanz“ und „Der Stein der Weisen“ vortrug, wie angekündigt war [vgl. Hamburgischer Correspondent, Jg. 179, Nr. 600, 26.11.1909, Morgen-Ausgabe, S. 4]. war. War es
gut besucht? Es interressiertSchreibversehen, statt: interessiert. mich sehr, was die Hamburger gesagt haben. Hast
Du Gesellschaft gefunden? Wenn Du morgen schon weiter fährstWedekind reiste am 27.11.1909 mit einem Nachtzug von Hamburg nach Leipzig, wo er am 28.11.1909 eintraf [vgl. Tb]., wird Dir der
Brief wohl nach Leip|zig nachgeschickt.
Der Nachmittag gesternDie Schriftstellerin Elsa Bernstein (Pseudonym: Ernst Rosmer) hatte Tilly Wedekind offenbar am 25.11.1909 zu einem Tee in ihren Salon – „den wohl bedeutendsten Salon Münchens“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 107] – geladen (Briennerstraße 8a), bei dem auch ihre Mutter Wilhelmine Porges, Witwe eines königlich bayrischen Musikdirektors, mit deren Tochter Gabriele Porges, Schwester Elsa Bernsteins und „Salonniere“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 107], zugegen waren. bei Frau Bernstein war überraschend
nett u. hat mir einen kleinen Theil meiner Selbstachtung oder meines
Selbstbewusstseins wieder gegeben. Frau Borges ist wirklich eine entzückende,
alte Frau. Fräulein Gabriele war auch da, leider fand ich keine Gelegenheit
mich | mit ihr zu unterhalten.
Heute war ich wie gewöhnlich mit Anna Pamela spazieren.
NachmittagsTilly Wedekind war am 26.11.1909 nachmittags zu Besuch bei der Schauspielerin Elisabeth Steinrück (geb. Gussmann), Gattin Albert Steinrücks und Schwägerin Arthur Schnitzlers. war ich bei Frau Steinrück u. habe mich intimer mit ihr unterhalten
als je.
Gott vielleicht wird’s doch noch mit der Zeit.
Du musst halt nur recht viel Geduld mit | mir haben,
geliebter Frank!
Anna Pamela wollte in der Früh in Dein Schlafzimmer, als wir
nach Hause kamen, lief sie auch gleich in Dein Arbeitszimmer. Sie hat
mir auch ihre Hilfe angeboten, damit ich nach Tisch auf der Kugel gehenFrank Wedekind hatte für Tilly Wedekinds „Auftritte im Einakter ‚Die Zensur‘ [...] eine Laufkugel angefertigt, auf der sie gehen sollte“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 106]. kann.
Die hab’ ich gestern auch b glücklich angebracht. (die Kugel)
Von ganzem Herzen, Deine Tilly