Kennung: 3024

Graz, 20. Juli 1907 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Tilly

Koautoren*in

  • Wedekind, Pamela

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

T W


Samstagder 20.7.1907..


Mein innigst geliebter, einziger Frank, von ganzem Herzen danke ich Dir für Deinen Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.7.1907. u. Deine Kartevgl. Frank Wedekind an Pamela Wedekind, 19.7.1907. aus München! Nur liebe ich Dich viel zu sehr um nicht zu fühlen, in was für einer Stimmung Du Dich befindest. Und ich muss mir mit Schmerz sagen, dass ich sehr viel Schuld daran trage. Wenn ich auch für Berlin u. die äusseren Verhältnisse nichts kann, so hätte ich Dich/r/ doch viele Aufregungen u. Unannehmlich|keiten ersparen können. Meine einzige Entschuldigung ist, dass ich selbst viel durchgemacht, u. dadurch die körperliche Kraft u. Selbstbeherrschung verloren habe.

Du hast mir erzählt, dass die Zeit in München, in der Du so dick geworden, für Dich die unglücklichste war. Sollte ich aus Deinen jetztigenSchreibversehen, statt: jetzigen. Klagen, etwas Ähnliches schließen? Bin ich etwa die Ursache davon, dass Du Dich nicht aufraffen konntest, dass Du verstimmt bist?

Ja, ich habe Dich gehemmt, ange/st/att Dich zu aufzumuntern. | Und wie kann ich es gut machen?

Indem ich hier bleibe? Dich diesen Sommer Dir selbst überlasse? Wenn ich Dir dadurch helfen kann, so will ich es tun, obwohl mir dies das Schwerste wäre. Ich habe Dich zum Schlusse nur deshalb so gequält, weil es mir so schwer war, mich von Dir zu trennen. Weil ich Angst habe, Du könntest mir entfremdet werden durch längere Trennung. Aber dies alles ist Egoismus u. nicht Liebe. Ich habe an mich gedacht, anstatt an Dich.

Aber ich bin gründlich geheilt, durch die 2 wöchentliche Trennung | von Dir. Ich wünsche nur das Eine, Dich wieder im Vollbesitz Deiner Kräfte zu wissen. Bei guter Laune u. neuer Tatkraft. Du musst wieder zu Dir selbst kommen.

Kannst Du es besser, wenn Du alleine bist, so sage es mir offen. Wenn Du wirklich so schwer geworden bist, so reite doch in München täglich, ich werde dem Portier die Schlüssel schicken u. Dir Deine Reithose nach München nachsenden. Schlaf’ nicht so viel, wenn’s geht. Im Übrigen finde ich, Du brauchst das nicht so schwer nehmen; Du | warst doch schon dicker? Fühlst Du Dich sonst wohl? Wenn Du uns aber in 1 – 2 Wochen nach München nachkommen lassen willst, so wirst Du sehen, wie heilsam es mir war, dass Du mich weggeschickt hast. Deine Zeit abends soll ganz Dir gehören, nur soll es meine Sorge sein, dass Du sonst genug Bewegung machst. Oder wäre es Dir lieber, ich ließe das Kind hier? Überlege Dir’s, wie es für Dich am Besten ist, ich will von ganzem Herzen alles tun, was Du verlangst! Ich denke den ganzen Tag an Dich, | u. spreche den ganzen Tag von Dir. Ich fange an viel besser auszusehen u. mich sehr wohl zu fühlen. Ich bin ja viel zu gesund um die Ermüdung nicht leicht zu überwinden. Heute Nachmittag lag ich mit Anna Pamela in der Hängematte. Es sind jetzt prachtvolle Tage. Ich bin jung u. mein ganzes Herz, jeder meiner Gedanken gehört Dir, geliebter Frank! Und Dein Kind ist prächtig, strahlend in Frische u. Gesundheit! Und doch sind wir nicht im | Stande, Dir etwas Glück zu geben, der Du es in so vollem Maaße verdienst!

Du wirst nun wohl auch meine Bestätigungvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.7.1907 (Eingangsbestätigung von Brief und Geld) und 19.7.1907 (Eingangsbestätigung der Bildpostkarte). erhalten haben, über Brief, Karte u. das Geld. Ich danke Dir im Voraus für folgende 200 M., die ich wohl morgen erhalten werde. Ich habe bis jetzt 2 Telegrammevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 10.7.1907 und 19.7.1907., 2 Briefevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 15.7.1907 und 19.7.1907., 3 Kartenvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 11.7.1907 (Postkarte) und 18.7.1907 (Bildpostkarte); Frank Wedekind an Pamela Wedekind, 19.7.1907 (Bildpostkarte)., u. 120 Kr.vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 16.7.1907. erhalten. Du hast doch Deine Adresse überall angegeben? Ich schickte Dir, Mittwoch ein Telegrammvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 10.7.1907., Freitag einen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 12.7.1907., Sonntag eine Kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 14.7.1907 (Postkarte)., Dienstag einen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 16.7.1907., Donnerstag einen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.7.1907., gestern einen Kartenbriefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 19.7.1907. u. einen Brief nachgeschicktvgl. Zinaida Vengerova an Wedekind, 17.7.1907.. Hoffentlich hast Du alles! |

Findest Du ich brauche viel? Die Wohnung ist ja nicht so teuer, aber das Essen kostet ziemlich viel.

Ich danke Dir herzlichst für Deine Sendungen. Dafür sollst Du Deine Freude an unsern roten Wangen haben.

Hab’ ich Dich gequält mit dem langen Brief? Ich hoffe, dass Du alles so verstehst, wie ich es gemeint habe, u. überzeugt bist von der Treue u. Liebe
Deiner Dir von ganzem Herzen
ergebenen Tilly


Liebster Papa, vielen Dank für Deine lieben Wortevgl. Frank Wedekind an Pamela Wedekind, 19.7.1907., werde alles befolgen. Meine Mutter ist sehr glücklich mit mir. Von Herzen
Deine Anna Pamela


[Seite 8 am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Viele Grüße von meinen Eltern u. Geschwistern, ausser denen ich niemanden sehe.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 8 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13 x 17 cm. Mit aufgeprägtem Monogramm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Die Grußzeilen der rund sieben Monate alten Tochter Pamela Wedekind sind von ihr selbst zu Papier gebracht (die Hand wohl von der Mutter geführt). Das aufgeprägte Monogramm befindet sich außer auf Seite 1 auch auf Seite 5 (hier nicht wiedergegeben). Wedekind hat oben auf Seite 1 mit Bleistift das Datum „20.7.07“ notiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Das Schreibdatum ist durch den Briefinhalt belegt.

  • Schreibort

    Graz
    20. Juli 1907 (Samstag)
    Ermittelt (sicher)

  • Absendeort

    Graz
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefwechsel 1905‒1918. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind, Tilly Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2018
Seitenangabe:
54-56
Briefnummer:
59
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 221
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Tilly Wedekind, Pamela Wedekind an Frank Wedekind, 20.7.1907. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (23.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

02.09.2023 18:38