[Hinweis in Wedekinds Tagebuch vom 17.1.1894 in Paris:]
Um elf Uhr erhebe ich mich und gehe in’s Café Vachette, schreibe an die Breslau die mich auf Freitagden 19.1.1894. zum TheeSeine Eindrücke während des Besuchs hielt Wedekind in einem ausführlichen Tagebucheintrag fest: „Ich finde sie in Gesellschaft ihrer Schwester und ihrer Gesellschaftsdame. Ich empfinde sofort wieder das Enervirende ihres lauten unschönen rohen Wesens. Ihre Unterhaltung macht mir den Eindruck als fuchtle man mir mit einer scharfen blanken Klinge vor den Augen. Sie selber macht mir den Eindruck eines abgehetzten aufgeregten Rennpferdes, das für fünf Minuten still steht, mit zitternden Gliedern, mit kurzem keuchendem Athem, und den Moment nicht erwarten kann, wo es wieder ausgreifen darf. Ihre Person läßt alles das vermissen, was sie malt. Sie ist der discrepanteste Gegensatz ihrer Kunst. Sie wohnt [...] in einer Wüstenei. Im Gespräch ist sie starrköpfig. Sie kennt nur ihren eigenen Gedankengang [...]. Sie zeigt mir einige entzückende Pastells, bei deren Anblick ich, angesichts der um mich her herrschenden Verrohung weinen möchte. Bei aller erdenklichen Lieblichkeit und Tiefe haben die Gesichter, besonders die Kinder dieselbe Verzerrung in den Augen, die ich während des ganzen Abends bei mir spüre. Sie sehen aus als blickten sie in die Sonne oder als fuch[t]le man ihnen mit einem blanken scharfen Instrument vor den Augen herum. Auf der Staffelei steht die älteste Tochter Biörnsens, als junges Mädchen, die gegenwärtig mit dem Sohn Ibsens verheiratet ist. Die Breslau macht mich auf den Gegensatz der Norwegerin zu den uns umgebenden entzückenden Pariserinnen aufmerksam, den starken Knochenbau, die großen Hände, das barbarisch Scheue im Ausdruck der Augen. Wie ich die Damen verlasse fühle ich mich wie von tausend Nadeln gestochen. Ich fühle mich tief unglücklich von all der Brutalität die ich aufgenommen und von mir gegeben.“ [Tb 19.1.1894] geb[et]envgl. Louise-Cathérine Breslau an Wedekind, 17.1.1894. [...]
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Paris17. Januar 1894 (Mittwoch) Ermittelt (sicher)
ParisDatum unbekannt
Es gibt keine Informationen zum Standort.
Frank Wedekind an Louise-Cathérine Breslau, 17.1.1894. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (23.11.2024).
Anke Lindemann