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Mein
innigst Geliebter,
ich lese die Notizen über DichPressenotizen über Wedekind., ich höre von Deinem ErfolgDer Erfolg von „Frühlings Erwachen“ in der Inszenierung von Max Reinhardt am Deutschen Theater in Berlin (Uraufführung: 20.11.1906) brachte Wedekind den Durchbruch auf der Bühne und war in aller Munde. Wedekind trat darin als vermummter Herr auf, zuletzt am 1.4.1907, wie er im Tagebuch notierte: „Ich spiele zum letzten Mal den vermummten Herrn.“
u. ich komme mir wieder einmal so lächerlich klein neben Dir vor. Frank, Du
darfst nicht denken, dass das am Ende Eifersucht oder was weiß ich, ist. | Im
Gegenteil. Ich fürchte Du denkst, ich nehme keinen Anteil, ich unterschätze D
Dich. Nimmt nicht jeder Schauspieler an Deinem Erfolg mehr teil? Habe ich Dir
nicht besser gefallen, als ich auch arbeitete, wenn auch mit schwachen Kräften,
| aber doch mehr wie jetzt? Jetzt sitzteSchreibversehen, statt: sitze. ich den ganzen Tag zu Hause, spiele
mit dem Kind, werde immer bequemer u. phlegmatischer. Ist es nicht besser, wenn
man nun schon talentlos ist, daran zu Grunde zu gehen, als seinen Leib zu
füttern, sich an dem Ruhme seinens | Mannes zu sonnen, u. dabei ein
Schatten-Dasein zu führen. Ich beklage mich nicht etwa über Langeweile, ich bin
Dir ja für alles dankbar!
Aber ich bin nichts mehr für Dich, nichts, u. auch für mich
nichts mehr.
(Dieser Brief war eigentlich für mein „Tagebuchein fragmentarisches „‚Tagebuch‘-Manuskript“ Tilly Wedekinds, das mit dem „Brief thematisch verwandt ist“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 51]; es ist mit den Schreibdaten 21. bis 24.3.1907 und 30.3.1907 handschriftlich überliefert [Mü, L 3477/1] und liegt gedruckt vor [vgl. Vinçon 2014, S. 200-202; Vinçon 2018, Bd. 2, S. 51-53].“ bestimmt.)