Lieber Karl!
Empfang meinen herzlichsten Dank für das schöne
GeschenkHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zur Buchsendung; erschlossenes Korrespondenzstück: Karl Henckell an Wedekind, 21.10.1910. – Wedekind lag der Band „Weltlyrik. Ein Lebenskreis in Nachdichtungen“ (1910) von Karl Henckell (erschienen bei: Die Lese – Verlag, München) spätestens am 22.10.1910 vor, als er notierte: „Henckells Weltlyrik.“ [Tb], das Du mir mit Deiner Weltlyrik machst. Ich beglückwünsche Dich
aufrichtig zu dem Buch. Der prachtvolle Hymnus | an das LebenKarl Henckells „Hymnus an das Leben“ ist das Eröffnungsgedicht seiner Anthologie „Weltlyrik“ (es ist dort nicht paginiert). ist meinem
Empfinden nach das Vollste und Tiefste, was Du je geschrieben. Brillant finde
ich dann die UmdichtungenWedekind zählt aus den in „Weltlyrik“ von dem Freund aus verschiedenen Sprachen übertragenen Nachdichtungen fünf französischsprachige Dichter auf; es entfallen von den 83 Gedichten (ohne das Eröffnungsgedicht gezählt) 27 Gedichte auf Emile Verhaeren („Unser Heim“, „Der Garten der Erfüllung“, „Nach fünfzehn Jahren“, „Die kleine Jungfrau“, „Dürre“, „Sturm auf dem Meer“, „Die Freude“, „Die Armen“), Paul Verlaine („Im Waggon“, „Sehnsucht“, „Nicht wahr?“, „Dirnchen“, „Stimmung bei Brüssel“, „Charleroi“, „Grotesken“, „Karussell“), Charles Baudelaire („Beichte“, „Abendstimmung“, „Der Balkon“, „Mondestrauer“, „‚Pech‘“, „Aufschwung“), Guy de Maupassant („Ein Sonnenstich“, „Die wilden Gänse“) und Alfred de Musset („Nach einer Lektüre“, „Lied“, „Dichterlust“). nach Verhaeren, Verlaine, Baudelaire, Maupassant und
Musset. Das ganze Buch macht mir einen ungemein reifen Eindruck. Dabei steht es
als internationale moderne | AntologieSchreibversehen, statt: Anthologie. wohl einzig in seiner Art da. Ich hoffe
daß wir bald ausführlich darüber sprechen werden.
Ich höre eben daß Du in Berlin bist. Nach deiner
Rückkehr treffen wir uns vielleicht wieder zu einem Abend im RatskellerWedekind hat den Freund in München zwar öfters in anderen Lokalen getroffen; dem Tagebuch zufolge lag der letzte gemeinsame Abend im Ratskeller aber schon länger zurück – am 15.4.1910 („mit Tilly Henckells und Langheinrich im Rathskeller“) – und es sollte auch länger dauern, bis man sich wieder im Ratskeller traf – am 25.4.1911 („Im Hofgarten treffen wir Karl Henckel. [...]. Dann gehen wir in den Ratskeller und treffen dort Henckel, Kutscher und zwei Herren“).. Mit
besten Grüßen an Deine verehrte Gemahlin und Dich von Tilly und mir
Dein alter
Frank
26.10.10.