Franzensbad
„Villa Wilhelm Tell“
Juli 05.
Mein Liebster!
Ich habe Deine beiden Briefenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Berthe Marie Denk, 16.7.1905 (sowie ein weiterer nicht überlieferter Brief). erhalten, da es mir aber mit
meiner Gesundheit nicht sehr rosig geht, so bin ich immer sehr schlecht gelaunt
u. habe zu gar nichts Lust! Bin seit ein paar Tagen hier u. nehme BäderFranzensbad war ein „überwiegend von Frauen besuchter Badeort mit zwölf Mineralquellen zum Trinken und Baden“ [Karl Baedeker: Handbuch für Reisende. Süddeutschland. Oberrhein, Baden, Württemberg, Bayern und die angrenzenden Teile von Österreich. Leipzig 1906, S. 346]., die
mich wieder derart angreifen, dass ich mich kaum auf | den Beinen halten kann.
Ich will Dir aber wirklich nicht so viel unerfreuliches von mir sagen! ‒
In was trittst Du denn auf im Intimen TheaterWedekind hatte einen Gastspielvertrag am Intimen Theater (dem früheren Kabarett Die Sieben Tantenmörder), wo er vom 6.7.1905 – „von heute Donnerstag, 6. Juli, ab finden Vorstellungen statt mit Frank Wedekind als Gast und der beliebten Mary Irber im Münchener Künstlerkabarett (Intimes Theater, Parterre-Kaim-Saal)“ [Intimes Theater. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 58, Nr. 313, 7.7.1905, General-Anzeiger, S. 6] – bis 31.7.1905 täglich auftrat [vgl. Tb].? Bist Du schon
mägerermagerer. Wedekind fand sich zu korpulent und suchte abzunehmen.? Meinetwegen brauchst Du nicht mägerer zu werden, denn Dein Bauch passt
zu Deinem Schlemmer Cäsarenschädel sehr gut! Mir gefällst Du wie Du bist, wenn
Du es wissen willst! Ich hei|rate Dich auch ganz bestimmt! ‒ ‒
Du, ich freu mich so kindisch auf meinen CardinalBerthe Marie Denk bezieht sich auf Raffaels Bildnis des Tommaso Inghirami in roter Robe, das Wedekind ihr kopieren zu lassen versprochen hat – sie hatte schon zweimal nachgefragt [vgl. Berthe Marie Denk an Wedekind, 7.7.1905 und 11.7.1905] und Wedekind hatte ihr erklärt, die Kopie sei noch nicht fertig [vgl. Wedekind an Berthe Marie Denk, 14.7.1905]., ist esdas Bild. bald fertig? ‒
Ich bleibe 4 – 5 Wochen hier, dann gehe ich zur Nachcur nach
Steiermark! Auch gehe ich alle Tage mit einem Roman zu Bett! Ich möchte so
gerne ganz gesund werden! Meine rechte Lunge ist wieder sehr launisch! ‒ Was hast Du denn noch
für ein schöneres Geschenk für mich bereit? Du schriebst | einmalvgl. Wedekind an Berthe Marie Denk, 14.7.1905. so was
ähnliches davon! ‒
Gehst Du noch öfters in die Odeon BarBerthe Marie Denk hat während ihres viertägigen Besuchs bei Wedekind in München (28.6.1905 bis 1.7.1905) mit ihm zweimal die Odeon Bar (Briennerstraße 4) aufgesucht, so dem Tagebuch zufolge am 29.6.1905 („Diner in der Odeonsbar“) und 1.7.1905 („Wir dinieren in der Odeonsbar [...].Wir fahren zum Bahnhof, dann ich in die Odeonsbar. Sie reist ab nach Wien“).? ‒
Was macht Basil? Denk Dir, ich habe total vergessen wie die
alleBerthe Marie Denk hat während ihres Besuchs bei Wedekind in München (28.6.1905 bis 1.7.1905), als sie mit ihm dem Tagebuch zufolge am 28.6.1905 offenbar nach dem Hoftheater-Restaurant das Münchner Hoftheater aufsuchte („Hoftheaterrestaurant. Dann zu Basil. Grete Swoboda Anna Feldhammer Buschbek, Waldau e.ct.“), Fritz Basil kennengelernt, den Regisseur und Hofschauspieler, der Wedekind Schauspielunterricht erteilte, sowie die Hofschauspielerin Margarete Swoboda, den für die Kostüme am Hoftheater verantwortlichen Maler Hermann Buschbek und den Hofschauspieler Gustav Waldau [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 182], außerdem Anna Feldhammer, ehemals Mitglied des Münchner Hofschauspiels [vgl. Neuer Theater-Almanach 1904, S. 438], die nun als Schauspielerin am Schillertheater in Berlin tätig war [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 275]. aussahen! Ich kann mir keines der Gesichter vergegenwärtigen! Nur die
schielenden Augen von Frl. Feldhammer verfolgen mich! ‒
Nun leb wohl u. schreibe mir bald!
Deine
Braut.
Bitte schreibe Frau nicht Fräulein auf die Adresse.