Kartenbrief
An
Fräulein
Tilly Niemann
in Frankfurt a/M.
Wohnung (Straße und Hausnummer) Residenztheater |
Absender:
Wedekind
Berlin, Schiffbauerdamm 6 III. |
Meine liebe Tilly, ich hatte schon sicher gehofft, Dich hier
zu treffen, da ich Dich Barnowsky so eindringlich angepriesenVictor Barnowsky hatte von Wedekind ein Urteil über Tilly Newes erbeten [vgl. Victor Barnowsky an Wedekind, 1.8.1905]; Wedekind antwortete sofort [vgl. Wedekind an Victor Barnowsky, 2.8.1905] und der künftige Direktor des Kleinen Theaters in Berlin bedankte sich für die Auskunft [vgl. Victor Barnowsky an Wedekind, 5.8.1905]. Tilly Wedekind fasste die Briefäußerung im Rückblick so zusammen: „Er habe schon versucht, schrieb Wedekind, Barnowsky für mich zu interessieren, und er werde ihn aufs neue bearbeiten.“ [Wedekind 1969, S. 51] hatte wie man
jemanden anpreisen kann. Er hatte aber Hidalla schon
besetztDie Presse meldete zur Rollenbesetzung der Berliner „Hidalla“-Premiere: „Im Kleinen Theater gelangt am Donnerstag, den 21. d.M., als erste der vom Director Barnowsky erworbenen Novitäten das fünfactige Schauspiel ‚Hidalla‘ von Frank Wedekind zur Aufführung. Die Hauptrolle (Karl Hetmann) spielt Wedekind selbst. Neben ihm sind in hervorragenden Rollen Gertrud Arnold, Ilka Grüning, Rudolf Klein-Rohden, Julius Geisendörfer, Hans Kuhnert, Edgar Licho und Erich Walter an der Darstellung betheiligt. Das Stück wird von Victor Barnowsky in Scene gesetzt.“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 439, 19.9.1905, Morgen-Ausgabe, S. 8] Tilly Newes hatte an der Rolle der Fanny Kettler Interesse, die mit Gertrud Arnold besetzt war.. Jetzt aber scheint alles in Ordnung zu sein. Wenige Tage nach der
Premiere wird Barnowsky in Frankfurt sein um Dich zu sehen. Hoffentlich bringt
er Dich gleich mit. |
Ich danke Dir herzlich für Deine beiden lieben Briefevgl. Tilly Wedekind [hier noch: Newes] an Frank Wedekind, 28.8.1905 und 16.9.1905. und
gratuliere Dir zu Deiner Verlobung mit dem SerbenTilly Newes hat eine solche Verlobung (mit einer erfundenen Person) in ihrem vorletzten Brief behauptet [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.8.1905]., der Dich nicht nur liebt,
sondern auch heiraten wird. Hat er denn auch Geld um dem schönen Kleinod die
richtige Fassung zu geben? – Verzeih mir die Kürze meiner Antwort, aber zu
HauseWedekind hat die Berliner Wohnung Schiffbauerdamm 6 (3. Stock) am 9.9.1905 bezogen: „Darauf miethe ich mich Schiffbauerdamm No 6 ein.“ [Tb] kann ich nicht schreiben und möchte Dich nicht noch länger warten lassen.
Auf baldiges Wiedersehn! Ich küsse das Heiligthum.
Frank.