Mein lieber, lieber hochverehrter theurer Frank.
Mein sehnlichster Wunsch bei Ihrer HochzeitFrank Wedekind und Tilly Newes haben am 1.5.1906 in Berlin geheiratet [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 15f.] – und Adele Sandrock war am Hochzeitstag unter den Gästen (neben Emil Gerhäuser, Dagobert Engländer, Julius Greve, Curt von Glasenapp, und Ida Orloff): „Um 10 kommt Gerhäuser. Onkel Dagobert. Trauung. Greve. Zoologischer Garten. Diner im Savoyhotel. Glasenapp. Iduschka Adele.“ [Tb]
zugegen zu sein, kann sich leider, leider nicht erfüllen. Ich habe
solche schreckliche Unannehmlichkeiten mit dem Transport meiner Möbel von Wien
nach BerlinAdele Sandrock war im Herbst 1905 von Wien nach Berlin gekommen und hatte in Berlin zunächst einige Monate im Central-Hotel (Friedrichstraße 143-149) gewohnt; nun zog sie in eine Wohnung in Charlottenburg (Leibnizstraße 60) [vgl. Berliner Adreßbuch 1907, Teil I, S. 2042], in der sie bis an ihr Lebensende wohnen blieb. daß ich wie ein gehetztes Wild seit einigen Tagen von Advokat zu
Advocat laufe.
Ich soll dem elenden Gesellen 1200 Mark | mehr bezahlen als ausgemacht wurde und da ich nun
klagbar gegen dieses Scheusal vorgeh’n muß, hat er mir bis zur heutigen Stunde
meine Möbel, Kisten und Koffer noch nicht ausgeliefert und somit
habe ich keine Hochzeitstoilettedreimal unterstrichen.!
Ist das nicht unsagbar traurig!
Wäre ich in der Lage, hätte ich mir selbstredend sofort eine Toiletteelegante Damenbekleidung. Tilly Wedekind erinnerte sich an ihren Hochzeitstag und an Adele Sandrocks Garderobe: „Heute, zu unserer Hochzeit, war sie in ihrem besten Staat ausstaffiert, äußerst elegant im Stil der Jahrhundertwende, der ja damals immerhin schon einige Jahre zurücklag.“ [Wedekind 1969, S. 72] bestellt, aber
bei diesen horrenden Ausgaben | die ich jetzt habe ist das unmöglich.
Wegen diesenSchreibversehen, statt: diesem. Galgenvogel kann ich nun nicht
kommen, denn ich habe nur meine Wintersachen da, Alles
Andere steht beim Spediteur!
Ich habe ja so schreckliche Aufregungen lieber
Frank und bin bei Gott trostlosdreimal unterstrichen. daß ich meine Toiletten nicht habe. Sie werden den Grund
gewiß auch bedauerlich finden, denn Sie und Tilly wissen, wie wahnsinnig
anhänglich ich Ihnen bin.
Ich werde nun im Geiste bei Ihnen sein und sende
Ihnen und Ihrer lieben lieben Braut meine allerinnigsten Herzenssegenswünsche.
Mögen Sie | das Glück in Zukunft so recht innig und froh genießen, wie ich es
Ihnen von ganzer Seele wünsche!
Verzeihen Sie mir daß ich nicht sofort AntwordtSchreibversehen, statt: Antwort. – Hinweis auf eine schon etwas länger zurückliegende schriftliche Einladung zur Hochzeit; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Adele Sandrock, 1.4.1906. – Mündlich dürfte Adele Sandrock längst über die Heiratspläne von Wedekind und Tilly Newes informiert worden sein.
schickte, ich dachte noch bis gestern AbendWedekind und Tilly Newes waren am 17.4.1906 mit Adele Sandrock im Restaurant Zum Heidelberger (Friedrichstraße 143-149): „Abends mit Tilly und Adele im Heidelberger“ [Tb]. dasSchreibversehen, statt: das. sich die Angelegenheit ordnen
wird, aber ich erhielt BescheidtSchreibversehen, statt: Bescheid. und vor drei Wochen werde ich kaum zu meinen
Sachen gelangen. Oh wie gerne hätte ich Ihnen und Tilly an dem Tage die Hand
gedrückt ‒ seh’n Sie so ist das elende
Leben ‒ wegen solch einer Lumperei
muß ich fern bleiben ‒ oh ich bin
vom Unglück verfolgt. Ich danke Ihnen daß Sie meiner so lieb gedacht haben und
bin mit den allerinnigsten Wünschen für Ihr künftiges Glück Ihre treue
Adele Sandrock
An Tilly 1000000 innige Grüße