Salzburg 29.3.14.
Lieber Herr
Wedekind!
Verzeihen Herr Wedekind, wenn ich noch immer keine ganz
bestimmte Nachrichtüber die Ankunft zu einem Osterferien-Besuch in München auf Einladung Wedekinds [vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 22.3.1914]. geben kann. Heute schrieb ich Großmama, wegen Ostern, ganz
freudig erregt. Die PhotographieWedekind hatte seinem Sohn Geld geschickt, damit er sich fotografieren lassen konnte [vgl. Wedekind an Friedrich Strindberg, 20.3.1914 und Friedrich Strindberg an Wedekind, 22.3.1914]. ist schon halb fertig und ich bewunderte im
Negativ, das ich mir beim Photographen zeigen ließ, meinen entsetzlich langen
Hals, der hoffentlich auch nicht in Wirklichkeit vorhanden ist. –
Also wir dürfen – meines Wissens – erst Montags oder gar
Dienstagsam 6. oder 7.4.1914. fahren, was einen kleinen Gewittersturm unserer Mei|nungen
hervorrief! Wenn eine Möglichkeit einer Reise vorhanden ist, so freue ich mich
auch darauf, doch die Hauptsache ist mir doch Herrn Wedekind zu sprechen. Auch
auf die Kinder freue ich mich schon riesig!
Von meiner Schwester weiß ich nun, was es istÜber Kerstin Strindbergs Flucht aus München hatte Friedrich Strindberg bereits früher berichtet [vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 1.2.1914 und 15.3.1914].. Der
Gegenstand ihrer Aufregung war sie nämlich in eigener Person. Wegen
einer Anmaßung (in der PensionKerstin Strindberg war im Herbst 1913 bei Ihrer Großmutter Marie Uhl in Mondsee ausgezogen und wohnte in einem Familienpensionat in München-Harlaching [vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 17.9.1913].) ihrer Hausfrau, die ihr den Umgang mit ihren
Freunden verbieten wollte, etwas aufgebracht, reiste sie nach Traunstein ins –
KlosterDas ehemalige Kapuzinerkloster in Traunstein beherbergte eine Mädchenschule der Englischen Fräulein, die 1895 ins benachbarte Sparz umgezogen war. Kerstin Strindberg hatte die Schule seit Herbst 1904 besucht. , wo sie mit einer italienischen DameIdentität nicht ermittelt. ein unangenehm sentimentales Leben führt. Der Tod
ihres VatersAugust Strindberg war am 14.5.1912 in Stockholm gestorben und dort auf dem Nordfriedhof am 19.5.1912 beigesetzt worden (Block 13A, Grab Nr. 101). geht ihr nicht aus dem Kopf, sie möchte gar zu gern hinauf zu
dessen Grab wallfahrten und dortSchreibversehen, statt: um dort. ihre Seelenstimmung zu klären. Die
Italienerin,| eine sehr intelligente Dame besuchte mich vor kurzem, indem sie
mir von alldem Kunde brachte. Ich hatte lange nicht eine so – sagen wir –
sentimental, liebenswürdige Dame gesehn. Wenn sie sprach, sprachen mehr ihre
Augen als ihr Mund, sie schien trotz erheblicher Jugend schon verheiratet zu
sein – kurz, sie war ein Wesen, das mir unerklärbar war.
A/W/ie freue ich mich nun schon und die wenigen Tage
wollen schier nimmer vergehn; am 6, oder gar am 7.Tatsächlich reiste Friedrich Strindberg am Wochenende vor Ostern, am 4.4.1914, nach München [vgl. Tb]. also geht es los. Ich bin
dann in München um 1220 oder 3h, oder 5h.
Das wären 3 Daten, von denen mir aber 5h am wahrscheinlichsten
dünckt. Ich werde unsern Direktor bitten, wenn er es tut, zu telegrapfierenSchreibversehen, statt: telegraphieren. Das Telegramm wurde versandt [vgl. Josef Tschurtschenthaler an Wedekind, 4.4.1914].,
sicherlich schreibe ich noch vorher eine Kartevgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 3.4.1914.,| die enthält, wann ich fahre
oder ankomme.
Sonst noch viele Grüße
in Liebe
Friedrich Strindberg
29.3.14.