Über das ZensurverbotDas auf Gutachten aus dem Münchner Zensurbeirat gestützte Verbot einer öffentlichen Aufführung von Wedekinds Einakter „Totentanz“ durch die Münchner Zensurbehörde [vgl. Meyer 1982, S. 212-224] datiert vom 24.5.1910 [vgl. KSA 5/III, S. 812; KSA 6, S. 668]. von
Totentanz.
Da der Einakter ,,Totentanz“ verboten ist, wendet sich der
Autor an Sachverständige, und zwar an zwei HochschulprofessorenProf. Dr. phil. Franz Muncker war seit 1896 [vgl. Meyer 1982, S. 87] Königlicher Universitätsprofessor für Literaturgeschichte an der Münchner Universität und Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften [vgl. Adreßbuch für München 1911, Teil I, S. 413]. Prof. Dr. phil. Emil Sulger-Gebing war seit 1902 [vgl. Meyer 1982, S. 90] Professor für Literaturgeschichte an der Technischen Hochschule München [vgl. Adreßbuch für München 1911, Teil I, S. 633]. Beide waren Mitglieder des im Frühjahr 1908 eingerichteten Zensurbeirats. der Literatur.
Beide sprechen sich für die Freigabe des Stückes aus, schreiben dabei aber
folgendes:
Prof. Dr.
F.M. schreibt:Es folgt im nächsten Absatz ein Zitat aus dem Wedekind vom Verfasser übermittelten Brief über „Totentanz“ [vgl. Franz Muncker an Wedekind, 25.3.1911]. Wedekind erlaubte sich eine vollständige Veröffentlichung des „Gutachten des Herrn Prof. Dr. Franz Muncker“ in seinem Beitrag „Aus dem Münchner Zensurbeirat“ [vgl. Kain, Jg. 1, Nr. 6, September 1911, S. 93f.].
Ferner kann man ja wohl zweifeln, ob Erörterungen über das
von Ihnen behandelte Thema, mögen sie noch so theoretisch bleiben (oder
vielleicht eben, weil sie theoretisch bleiben), auf die Bühne gehören, ob sie
nicht vielleicht eher zu einem Lesedrama passen.
Prof. Dr.
S-G. schreibt:Es folgt im nächsten Absatz ein Zitat aus dem Wedekind als Briefbeilage vom Verfasser übermittelten Gutachten über „Totentanz“ [vgl. Emil Sulger-Gebing an Wedekind, 3.4.1911]. Wedekind erlaubte sich eine vollständige Veröffentlichung des „Gutachten des Herrn Professor Sulger-Gebing“ in seinem Beitrag „Aus dem Münchner Zensurbeirat“ [vgl. Kain, Jg. 1, Nr. 6, September 1911, S. 94f.].
Ein Zensurverbot scheint mir diesem Einakter gegenüber nicht
gerechtfertigt. | Ich halte ihn für undramatisch und darum für wenig
bühnenwirksam.... Die Personen ergehen sich fast ausschließlich in langatmigen
theoretischen Auseinandersetzungen.
Wenn diese Sachverständigen den künstlerischen Gehalt der
Arbeit bestätigten, dann würde die Polizei das Stück vielleicht frei geben.
Da die Sachverständigen den dramatischen Wert des Stückes
verneinen, hat die Polizei genau genommen auch gar keinen Anlaß, das Stück freizugeben,
obschon sich beide Sachverständige für die Freigabe aussprechen.
Wenn das Stück nun aber trotz der Gutachten der
Sachverständigen Bühnen|wirksamkeit besitzt, so wäre in diesem unerklärlichen
Widerspruch doch wol allein schon derjenige künstlerische Grund gegeben,
der eine Aufführung des Stückes rechtfertigen müßte.
Fr.W.
25.6.11.