Grd.
Hôtel Deutsches Haus
Otto Kahl
Vornehmstes und grösstes Hôtel am Platz
Ruhige Lage im Mittelpunkt der Stadt
Festsäle, Konferenz- u. Ausstellungszimmer
: Appartements mit Bad : Automobil :
Restaurant ‒ Weingrosshandlung
Telephone: Nr. 14, 3339, 3211
Königsberg
i. Pr., 4. November 1911.
An die tit. Redaktion des
„Berliner Börsen Courier“
Berlin.
Sehr verehrliche RedaktionChefredakteur des „Berliner Börsen-Courier“ war seinerzeit Dr. Albert Haas, verantwortlich für die Feuilleton-, Theater- und Musikredaktion der frühere Chefredakteur Isidor Landau, der seit 1883 als Theaterkritiker für die Zeitung tätig war.!
Darf ich Sie höflichst ersuchen, Ihrem geehrten
Herrn Mitarbeiter für die überaus wohlwollende BesprechungIn der ohne Verfasserangabe veröffentlichten Besprechung von Wedekinds Vortragsabend (siehe unten) in der Rubrik „Was sich Berlin erzählt“ im „Berliner Börsen-Courier“ heißt es: „Frank Wedekinds gestriger Vortragsabend hatte eine starke Anziehungskraft ausgeübt und den Klindworth-Scharwenka-Saal mit einer höchst erwartungsvollen Menge gefüllt. Thema des Vortrags sollten, der Ankündigung nach, ‚Gedanken – ethische und ästhetische Probleme‘ sein. Von diesen gelangte auch im Verlauf des Abends eine ganze Reihe zur Betrachtung. Aber eigentlich nur so nebenbei sich durchsetzend. In der Hauptsache las Wedekind aus eigenen Dichtungen vor. Er begann mit einer – Predigt, deren Nutzanwendung er seinen Hörern überließ. Er entnahm dem Evangelium das prahlerische Wort der Söhne, die an ihrer Väter Stelle den Propheten nicht gemordet hätten, reihte daran den ‚Hungertod‘ Heinrich von Kleists und schloß mit der Zornesformel, daß immer wieder auch die Söhne ihre Propheten umbrächten. Dann ging der Vortragende dazu über, den dritten Akt seines neuen Werkes vorzulesen [...]. Jedenfalls enthielt dieser dritte Akt [...] manch Fesselndes und Vielversprechendes. Besonders als der Dichter auf sein Steckenpferd geriet und in einer unendlich bissigen Satire den Polizeipräsidenten einer Duodezresidenz ein Festspiel verbieten und den Hauptakteur darin verhaften läßt, ohne zu ahnen, daß sein eigener Fürst der Verfasser und Schauspieler ist, und nachdem er die trostlose Wahrheit erfährt, in die Worte ausbricht: ‚Strafen Sie mich, königliche Hoheit! Nur die strengste Strafe kann mir meine Menschenwürde wiedergeben‘ – da durchlief unbändige Heiterkeit die Reihen der Zuhörer und löste sich in stürmischen Beifall auf.“ [Berliner Börsen-Courier, Jg. 44, Nr. 510, 30.10.1911, Abend-Ausgabe, S. 14, 3. Beilage] , durch die mein
VortragBei dem am 29.10.1911 notierten „Vortrag in Klintwortsaal“ [Tb] handelte es sich um einen Vortragsabend Wedekinds um 20 Uhr im Klindworth-Scharwenka-Saal in Berlin, angekündigt unter dem Gesamttitel „‚Gedanken‘. Ethische und ästhetische Probleme“ [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 40, Nr. 552, 29.10.1911, Morgen-Ausgabe, 10. Beiblatt, S. (3)]. Wedekind hielt dort erstmals seine Rede „Heinrich von Kleist“, las aber noch andere Texte, darunter den Prolog zu „König Nicolo“, vor allem aber aus dem neuen Stück „Franziska“ den 3. Akt. Wedekind hielt diesen Vortrag ein zweites Mal am 4.11.1911: „Vortrag im Deutschen Haus“ [Tb] – das war in einem Saal jenes Hotels, auf dessen Briefpapier er den vorliegenden Brief schrieb. im Klindworth-SaalKlindworth-Scharwenka-Saal (eingeweiht am 6.10.1907), benannt nach dem Berliner Pianisten und Professor für Musik Karl Klindworth, einer von zwei Konzertsälen im Konservatorium Klindworth-Scharwenka in Berlin-Tiergarten (Genthiner Straße 11). in Ihrem geschätzten Blatt ausgezeichnet wurde,
meinen aufrichtigen herzlichen Dank zu übermitteln. Da der Artikel nicht
signiert war, ist es mir leider nicht möglich, dem Herrn direkt zu danken.
Zugleich erlaube ich mir die AnfrageWedekind hatte die „Kleist“-Rede zuvor schon dem „Berliner Tageblatt“ angeboten [vgl. Wedekind an Fritz Engel, 22.10.1911], das sie offenbar nicht angenommen hat., ob Sie für
die Worte, die ich über Heinrich von Kleist sprach vielleicht gelegentlich der
hunderjährigenSchreibversehen, statt: hundertjährigen. Wiederkehr seines TodestagesDer 100. Todestag des am 21.11.1811 in Berlin verstorbenen Dichters Heinrich von Kleist fand starke Beachtung. VerwendungEin Druck der „Kleist“-Rede im „Berliner Börsen-Courier“ ist nicht nachgewiesen [vgl. KSA 5/III, S. 428]. hätten. Ihre gefällige
Erwiderung würde ich mir nach München, Prinzregentenstraße 50 erbitten. Den
kurzen Artikel könnte ich Ihnen dann von dort am nächsten Mittwochder 8.11.1910; Wedekind war am 7.11.1910 (Dienstag) zurück in München. oder
Donnerstag zuschicken.
Mit dem Ausdruck vorzüglichster Hochschätzung
Ihr ergebener
Frank Wedekind.