[1. Abgesandter Brief:]
München, Prinzregentenstraße 50
7. Mai 1913.
An die RedaktionRedaktion und Verlag (Kain-Verlag) des „Kain. Zeitschrift für Menschlichkeit“ lag bei dem Herausgeber Erich Mühsam (Akademiestraße 9); zusätzlich verzeichnet ist eine Geschäftsstelle (Baaderstraße 1a) [vgl. Adreßbuch für München 1913, Teil III, S. 159]. des „Kain“, Zeitschrift für Menschlichkeit
München.
Sehr geehrter Herr Mühsam!
Der Stiftungsrat
der Johannes-Fastenrat-StiftungStiftung für bedürftige Schriftstellerinnen und Schriftsteller mit Sitz in Köln [vgl. KSA 5/III, S. 42]. Das Stiftungsratsmitglied Walter Laué hat Wedekind brieflich über die Bewilligung der Ehrengabe unterrichtet [vgl. Walter Laué an Wedekind, 3.5.1913], die Wedekind am 4.5.1913 im Tagebuch festhielt („Fastenrat Preis“) und die Weitergabe am 6.5.1913 notierte („Fastenrathpreis erhalten und weiter spediert“). in Köln hat mir eine Ehrengabe von
M. 1000 zugesprochen. Die hohe Auszeichnung bedeutet für mich ohne Zweifel
eine große ideelle Förderung, da sie unzähligen Vorwürfen, die auf Mißverständnis meiner Arbeiten beruhen entgegentritt. Da ich mich
augenblicklich aber nicht in bedrängter Lage befinde,
frage ich mich, wie der materielle Wert der Gabe im Geist seines hochherzigen
Stifters seiner | segensvollen Bestimmung am besten
erhalten bleibt. Diesen Zweck glaubte ich am sichersten
zu erreichen, wenn ich die Hälfte der Summe, M. 500, der von Ihnen in München erscheinenden herausgegebenen Zeitschrift für
Menschlichkeit „Kain“ zuwende, während die andere Hälfte dem
Schutzverband
Deutscher Schriftstellerder Ortsgruppe München des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil III, S. 213], gegründet am 7.3.1913 [vgl. Schutzverband deutscher Schriftsteller e.V., Ortsgruppe München. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 66, Nr. 253, 20.5.1913, Morgenblatt. S. 3], deren Syndikus Maximilian Brantl war, wie die Presse mitteilte: „Der Schutzverband Deutscher Schriftsteller e. V. mit dem Sitz in Berlin, die erste Organisation Deutschlands zur Wahrung der wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen der deutschen Schriftsteller, hat einen bedeutungsvollen weiteren Schritt in seiner Entwicklung getan“ und die Gründung von Ortsgruppen „beschlossen. Die Ortsgruppen sollen, in enger Verbindung mit dem Hauptverband in Berlin stehen, genießen aber im Rahmen des neuen allgemeinen Verbandsstatutes das volle Recht der Selbstverwaltung. [...] Als erste Ortsgruppe wurde die Ortsgruppe München des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller gegründet [...]. Sie zählt bereits über 60 Mitglieder [...]. [...] Syndikus der Ortsgruppe München ist Rechtsanwalt Dr. Brantl, Sofienstraße 5b.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 66, Nr. 243, 15.5.1913, Vorabendblatt. S. 2] zufallen soll.
Erlauben Sie mir
daher, geehrter Herr Mühsam, Ihnen die genannte Summe mit gleicher Post zu
übersenden.
Mit dem Ausdruck größter Hochschätzung
Ihr ergebener
Frank Wedekind.
[2. Druck:]
München, Prinzregentenstrasse 50
7. Mai 1913.
An die
RedakttonDruckfehler, statt: Redaktion. des „Kain“, Zeitschrift für Menschlichkeit
München.
Sehr
geehrter Herr Mühsam!
Der Stiftungsrat
der Johannes-Fastenrat-Stiftung in Köln hat mir eine Ehrengabe von
Mk. 1000 zugesprochen. Die hohe Auszeichnung bedeutet für mich ohne
Zweifel eine große ideelle Förderung, da sie unzähligen Vorwürfen, die auf
Missverständnis meiner Arbeiten beruhen, entgegentritt. Da ich
mich augenblicklich aber nicht in bedrängter Lage befinde,
frage ich mich, wie der materielle Wert der Gabe im Geist seines hochherzigen
Stifters seiner segensvollen Bestimmung am besten
erhalten bleibt. Diesen Zweck glaubte ich am sichersten
zu erreichen, wenn ich die Hälfte der Summe, Mk. 500, der von Ihnen in
München herausgegebenen Zeitschrift für Menschlichkeit „Kain“ zuwende,
während die andere Hälfte dem Schutzverband deutscher
Schriftsteller zufallen soll.
Erlauben Sie mir
daher, geehrter Herr Mühsam, Ihnen die genannte Summe mit gleicher Post zu
übersenden.
Mit dem Ausdruck grösster Hochschätzung
Ihr ergebener
Frank Wedekind