Sehr verehrter Herr Stollberg!
ich freue mich, Ihnen mittheilen zu können daß die
Zensurbehörde gegen eine Vereinsaufführung von „Totentanz“, auch in unverkürzter
Form, im Münchner Schauspielhaus nichts einzuwendenWedekind notierte am 28.10.1909 ein Gespräch ‒ dessen Ergebnis war der unmittelbare Schreibanlass für den vorliegenden Brief ‒ mit Dr. jur. Dietrich Bittinger, bei der Münchner Polizeidirektion der „für die Theaterzensur zuständige Referent“ [Meyer 1982, S. 69], über die geplante Aufführung von „Totentanz“ durch den Neuen Verein im Münchner Schauspielhaus: „Besuch auf der Polizei. Dr. Bittinger giebt Totentanz für Vereinsvorstellung frei“ [Tb]. Die geplante geschlossene Veranstaltung fand nicht statt – „wegen immer neuer Einlassungen der Zensurbehörde“, die sich am 22.12.1909 „auf ihr Verbot einer öffentlichen Aufführung“ vom 11.6.1906 berief und diese „sich zeitlich mehr und mehr zu verzögern drohte“; daher „verzichtete der Neue Verein schließlich auf das Projekt.“ [KSA 6, S. 681] hat.
Als BesetzungDie genannten Rollen sollten neben Frank und Tilly Wedekind Ottilie Gerhäuser und Hans Steiner spielen, beide im Ensemble des Münchner Schauspielhauses [vgl. Neuer Theater-Almanach 1910, S. 553]. habe ich den Herrn der Freien StudentenschaftWedekind hat am 26.10.1909 notiert: „Nach Tisch kommen zwei Herren von der freien Studentenschaft mit denen ich Totentanzaufführung verabrede. Gemeinschaftliche Unterredung bei Stollberg.“ [Tb] Die literarische Abteilung der Münchner Freien Studentenschaft – die „Organisation der nichtinkorporierten Studierenden der Universität München“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 58, Nr. 529, 13.11.1905, S. 4], „Geschäftsstelle: Universität Audit. 116“ [Adreßbuch für München 1910, Teil III, S. 197] – veranstaltete Vorträge und Aufführungen von Dramen. Mitglieder der Münchner Freien Studentenschaft dürften zugleich Mitglieder des Neuen Vereins gewesen sein, der aus dem studentischen Akademisch-Dramatischen Verein hervorgegangen war und „bald mehrere hundert Mitglieder“ [Kutscher 1912, S. 288] zählte.,
Ihr Einverständnis natürlich | vorausgesetzt, in Vorschlag gebracht:
Marquis Casti-Piani – Wedekind
Elfriede von Malchus – Frau Gerhäuser
Herr König – Hans Steiner
Lisiska – Frau Wedekind.
Für Ihr liebenswürdiges Entgegenkommendas Münchner Schauspielhaus als Spielstätte zur Verfügung zu stellen; verabredet am 26.10.1909 (siehe oben). erlauben Sie mir, Ihnen
meinen aufrichtigen herzlichen Dank auszusprechen
Mit besten Empfehlungen
Ihr
Frank Wedekind.
28.10.9.