Sehr verehrter Herr Stollberg!
zu unserem großen aufrichtigen Bedauern werden meine Frau
und ich morgen Abend nicht den Genuß haben, der PremiereGrete Stollbergs Schauspiel „Christl Lenz“ (ein in Berlin angesiedeltes Gegenwartsstück um eine Heirat) wurde durch den Neuen Verein, der es einige Wochen zuvor „zur Uraufführung erworben“ [Neuer Verein. In: Allgemeine Zeitung, Jg. 115, Nr. 1, 6.1.1912, S. 20] hatte, am 23.2.1912 als geschlossene Vorstellung im Münchner Schauspielhaus uraufgeführt. „Die Regie führt Direktor Stollberg.“ [Neuer Verein. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 65, Nr. 92, 21.2.1912, Vorabendblatt, S. 2] Das Stück fand beim Publikum eine „freundliche Aufnahme“ [E. (= Richard Elchinger): Christl Lenz. Schauspiel in drei Akten von Grete Stollberg. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 65, Nr. 100, 25.2.1912, Vorabendblatt, S. 2] von „Christl Lenz“ beizuwohnen.
Wir werden Samstag früh in Wien zur Probe erwartetWedekind reiste dem Tagebuch zufolge am 23.2.1912 ab nach Wien („Abfahrt von München“), wo er am 24.2.1912 eintraf („Ankunft in Wien“), um noch am selben Tag damit zu beginnen, die Proben zu der für den 2.3.1912 an der Neuen Wiener Bühne geplanten Uraufführung von „Schloß Wetterstein“ (als einmalige geschlossene Vorstellung vor geladenen Gästen) zu leiten („Nachmittags Probe. 1. und 2. Akt“). Weitere Proben zu der Inszenierung, die dann wegen Querelen in der Rollenbesetzung nicht stattfand [vgl. KSA 7/II, S. 877], gab es am 25. und 26.2.1912 („Vormittag 11 Uhr Probe“), am 27.2.1912 („Nachmittags Probe. 3 und 2 Akt“) sowie am 28.2.1912 („Probe“). und haben bis morgen Abend
noch reichlich mit Packen zu thun. | In Gedanken aber werden wir in Ihrem
Theater sein und freuen uns sehr darauf das Werk der von uns beiden so sehr verehrten
Dichterin nach unserer RückkehrWedekind reiste dem Tagebuch zufolge am 4.3.1912 von Wien zurück nach München („Rückfahrt nach München“). Er besucht die Vorstellung von Grete Stollbergs Stücks am 7.3.1912 ‒ „Christl Lenz“ [Tb] ‒ im Münchner Schauspielhaus, die um 19.30 Uhr begann [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 65, Nr. 121, 7.3.1912, General-Anzeiger, S. 2] genießen zu können.
Mit herzlichem Gruß und schönen Empfehlungen
Ihr ergebener
Frank Wedekind.
22.2.12.