Verehrte gnädige FrauWedekind dürfte den Brief an die Privatadresse (Cuvilliésstraße 31) [vgl. Adreßbuch für München 1911, Teil I, S. 623] der seit dem 16.3.1896 mit Georg Stollberg (Direktor des Münchner Schauspielhauses) verheirateten Schriftstellerin Grete Stollberg (geb. Kramme) geschickt haben.!
Ihr hübsches GedichtGrete Stollberg, die ihr Gedicht in der von Wedekind mitherausgegebenen neuen Zeitschrift „Der Komet“ gedruckt sehen wollte, könnte das Manuskript zur Übergabe an Wedekind ihrem Mann Georg Stollberg mitgegeben haben, den Wedekind dem Tagebuch zufolge zuletzt am 6.3.1911 getroffen hat („Besuch bei Stollberg“)., das mir ausgezeichnet gefällt habe ich
sofort auf die RedaktionWedekind hat erstmals am 4.2.1911 notiert: „Redaktionssitzung des Kometen“ [Tb]. Das erste Heft der im Vorjahr von ihm gemeinsam mit Paul Ludwig Fuhrmann als „Konkurrenzblatt“ [Vinçon 2014, S. 258] zum „Simplicissimus“ konzipierten illustrierten Zeitschrift „Der Komet. Farbig illustrierte Wochenschrift für Witz, Humor und moderne Kultur“ (Herausgeber: Frank Wedekind, Paul L. Fuhrmann) war erst wenige Wochen zuvor erschienen. Die Presse meldete: „Vor uns liegt die Programmnummer einer neuen Münchner Wochenschrift ‚Der Komet‘ (Komet-Verlag München). Das Blatt, das neben den Herausgebern Frank Wedekind und Paul L. Fuhrmann eine Reihe guter Namen der Literaturwelt zu seinen Mitarbeitern zählt, bringt politische und gesellschaftliche Satire in Wort und Bild und ist mit Illustrationen in Schwarzdruck und Dreifarbendruck ausgestattet.“ [Eine neue Münchner humoristisch-satirische Wochenschrift. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 86, 21.2.1911, Morgenblatt, S. 3] Redaktionssitz der immer mittwochs erscheinenden Zeitschrift dürfte die Adresse des Komet-Verlag (Herzog Rudolfstraße 25) [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 96, 27.2.1911, S. 3] gewesen sein. gebracht. Hoffentlich wirds angenommenGrete Stollbergs Gedicht dürfte gleich den Tag darauf auf der Redaktionskonferenz der Zeitschrift ‒ Wedekind notierte am 15.3.1911: „Conferenz auf dem Kometen“ [Tb], die zweite, an der er teilnahm ‒ zur Debatte gestanden haben. Ob es zum Druck angenommen wurde, ist unklar. Ein mit Grete Stollbergs Namen gezeichnetes Gedicht ist in den folgenden Heften nicht gedruckt, wohl aber insgesamt drei nicht namentlich gezeichnete Gedichte in Nummer 4 (22.3.1911), Nummer 6 (5.4.1911) und Nummer 7 (12.4.1911), wobei davon eigentlich nur das erste anonym veröffentliche Gedicht als mögliches Gedicht von ihr in Frage kommt, zumal auch Wedekind „mit namentlich gezeichneten Beiträgen“ nur „bis zur fünften Nummer (29.4.1911)“ [Vinçon 2014, S. 258] an der kurzlebigen Zeitschrift beteiligt war. Es trägt den Titel „Verse der Bohème. I.“ und lautet: „Wir sind die Glühenden, die nicht erkalten, / Solang der Freiheit Sturmhauch uns umweht, / Drum werdet Ihr uns nie in Fesseln halten / Nie auf dem Wege, der ins Breite geht. / Was Euer Höchstes ist, Phalanx der Sitten, / Und was Euch über allen Zweifeln steht, / Wir haben hundertmal uns Bahn geritten, / So tief auch Eure raschen Schwerter schnitten, / Die rote Liebe war uns Schlachtgebet.“ [Der Komet, Nr. 4, 20.3.1911, S. 34].
Mit ergebensten Empfehlungen von uns beiden an Sie und Herrn
Direktor
Ihr ergebener
Frank Wedekind.
14.3.11.