Kennung: 2407

München, 24. September 1911 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Robert, Eugen

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Sehr geehrter Herr Wedekind! Drei Fragen richten SieWedekind hat seinen offenen Brief über „Oaha“ betreffende Schwierigkeiten mit der Zensur in mehreren Zeitungen veröffentlicht [vgl. KSA 5/III, S. 287], darunter die „Münchner Neuesten Nachrichten“ [vgl. Wedekind an Münchner Neueste Nachrichten, 20.9.1911], die ihn ohne Titel am 24.9.1911 druckten. an die breiteste OeffentlichkeitWedekind hat seine Fragen mit der Bemerkung eingeleitet, er fühle sich „berechtigt, an die breiteste Öffentlichkeit drei Fragen zu richten“ [KSA 5/II, S. 419]. Seine drei Fragen „fanden in der Presse ein breites und bis auf Ausnahmen ein positives Echo.“ [KSA 5/III, S. 287]. Die wird Ihnen die Antwort schuldig bleiben. Die ist immer „nach unbekanntem Ort verzogen“. Und Ihre Fragen sind der Antwort wert. 1. Was hat die Oeffentlichkeit„1. Was hat die öffentliche Meinung gegen mich?“ [KSA 5/II, S. 419] gegen Frank Wedekind?... Vor Jahren schrieb ichEugen Robert zitiert einen Satz aus einem vier Jahre zuvor von ihm im „Pester Lloyd“ (Budapest) veröffentlichten Beitrag über die Premiere von „Hidalla“ am Kleinen Theater in Berlin, in dem es über Wedekind heißt: „Épater le bourgeois ist wohl nicht sein Stichwort, aber sein Schicksal. Eine Laufbahn voll bizarrer Gegensätze; ein unerhörter Ruhm voll unerhörter Demüthigungen“ [E.R.: Berliner Theater. In: Pester Lloyd, Jg. 52, Nr. 243, 29.9.1905, 1. Beilage, S. (1)]. Im Nachdruck des Artikels lautet die zitierte Stelle wie hier im Brief: „Épater le bourgeois ist... nicht sein Stichwort; sondern sein Schicksal.“ [Eugen Robert: Theaterabende. München, Leipzig 1915, S. 75] in einem Aufsatz über Sie: „Epater le bourgeoisépater le bourgeois (frz.) = die Bourgeois verblüffen, beindrucken (Redewendung, um einen antibürgerlichen Habitus zu beschreiben). ist... nicht sein Stichwort; sondern sein Schicksal.“ Fürwahr: bequeme Parkanlagen haben Sie gemieden; suchten die steilsten Felsenwege auf; – und sind erstaunt, daß Sie allein sind? 2. Welche Partei hat„2. Welche Partei hat etwas gegen mich und wo ist diese Partei zu finden?“ [KSA 5/II, S. 419] etwas gegen Sie?... Keine, soviel ich weiß. Eine Partei gegen Sie gibt es nicht. Nur: daß es für Sie auch keine Partei gibt. Aber... Eine Partei heißt: Tagesinteressen; Konjunkturenverwertung, Giroaustausch; Reklamenotizen... Eine Schöpfung ist jedoch der „Erdgeist“. 3. „In der Kunststadt München“„3. Kommt es in der Kunststadt München in künstlerischen Fragen wirklich nicht darauf an, was jemand kann, sondern darauf, was er gegen sich hat?“ [KSA 5/II, S. 419] ... wird Ihre Komödie Oaha gespielt werdenWedekinds „Oaha“ wurde am 20.12.1911 im Münchner Lustspielhaus durch den Neuen Verein als geschlossene Veranstaltung uraufgeführt (Regie: Eugen Robert), nachdem die von dem Direktor Eugen Robert bei der Zensurbehörde beantragte öffentliche Aufführung abgelehnt worden war [vgl. KSA 8, S. 606].. Wie Sie wissen: ist das Werk für das Münchner LustspielhausDas Lustspielhaus (Direktion: Dr. Eugen Robert) in München ist am 1.7.1911 eröffnet worden [vgl. Neuer Theater-Almanach 1912, S. 558]. erworben. Und wie ich Ihnen verraten will: ich bin entschlossen, die Komödie auf alle Fälle zu spielen; möglichst mit Zustimmung der Zensur in der breitesten Oeffentlichkeit; schlimmstenfalls zunächst in einer Vereinsvorstellung, die wohl auch die Zensurbehörde von der Ungefährlichkeit Ihres Stückes überzeugen wird. Ihr aufrichtig ergebener Eugen Robert.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 0 Blatt, davon 0 Seiten beschrieben

Sonstiges:
Das Korrespondenzstück ist nur im Druck überliefert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 24.9.1911 ist als Ankerdatum gesetzt – das Schreibdatum des Briefs, dem redaktionellen Hinweis zum Erstdruck zufolge: „Dr. Eugen Robert sandte uns am 24. September zum Abdruck diesen ‚offenen Brief‘ an Frank Wedekind:“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 462, 3.10.1911, Morgenblatt, S. 2]. Schreibort war München, wo Eugen Robert (auch unter seinem ursprünglichen Namen Eugen Kovacs verzeichnet), ausgewiesen als Direktor des Lustspielhauses, inzwischen ansässig war [vgl. Adreßbuch für München 1912, Teil I, S. 324, 516]. Es handelt sich um einen nachweislich offenen Brief, von dem aber angenommen werden darf, dass Wedekind ihn auch als Brief erhalten hat.

Erstdruck

Münchner Neueste Nachrichten

Verlag:
München: Knorr und Hirth
Kommentar:
Detaillierter Nachweis: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 462, 3.10.1911, Morgenblatt, S. 2-3. ‒ Der Brief ist unter der Rubrik „Kunst und Wissenschaft“ mit einem weiteren Brief (Gustav Werner Peters an die Redaktion) unter der Vorbemerkung abgedruckt: „Frank Wedekind hat einen Brief an die breite Oeffentlichkeit gerichtet, den auch wir (in Nr. 447) abgedruckt haben. Auf die drei Fragen, die Wedekind stellte, antworten zwei Zuschriften an uns. Die eine lautet:“ [es folgt der Brief von Gustav Werner Peters]. „Dr. Eugen Robert sandte uns am 24. September zum Abdruck diesen ‚offenen Brief‘ an Frank Wedekind:“ [es folgt der Brief].
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Es gibt keine Informationen zum Standort.

Zitierempfehlung

Eugen Robert an Frank Wedekind, 24.9.1911. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (03.12.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

21.06.2024 17:20