München 29/VI 03
Lieber Frank!
hier übersende ich Dir durch
Robert Deinen Brief vom Pfingstsamstagvgl. Wedekind an Max Halbe, 30.5.1903. Max Halbes Sohn Robert hat den Brief Wedekind als Beilage (hier nicht nochmals wiedergegeben) zum vorliegenden Brief überbracht..
Sei überzeugtMax Halbe, mit Wedekind im Streit liegend [vgl. Wedekind an Max Halbe, 30.5.1903], reagierte mit dem vorliegenden Brief auf die zwei Tage zuvor stattgefundene Versöhnung mit Wedekind, die sich nach seiner Rückkehr nach München (er war am 14.6.1903 zu einer Reise nach Wien, Berlin und Leipzig aufgebrochen) am 27.6.1903 ergeben hatte: „Gegen Abend in München. Im Hoftheaterrestaur. erscheint Frank. Aussöhnung.“ [Tb Halbe], daß mir nichts
ferner gelegen hat und fern liegt, als die Absicht Dich zu kränken oder
zu verletzen oder gar Intrigen gegen Dich zu | spinnen. Wenn mir in vorgerückten
Nachtstunden, wie ich gern zugebe, manchmal die Zunge durchgegangen ist,
so mag zu meiner Entschuldigung dienen, daß dies
aus einem vielleicht überreiztem Freundschaftsgefühl für Dich und Dein
künstlerisches Schaffen geschehen ist.
Ich hoffeSpannungen blieben nach der Aussöhnung (siehe oben), wie Max Halbe am 1.7.1903 feststellte: „Kegelabend mit David. Wedekind auch da, aber gereizt. Geht nachher mit Dressler. Es wird nicht wieder das Alte mit ihm!“ [Tb Halbe] Und am 11.7.1903: „Mit Wedekind scheint der Bruch definitiv, schimpft hinterrücks über mich, intriguirt nach Kräften.“ [Tb Halbe] Schließlich konstatierte er am 13.7.1903: „Wedekind reist morgen ab.“ [Tb Halbe] Wedekind fuhr den Sommer über nach Lenzburg und feierte den Abend vor seiner Abreise seinen Abschied vom Freundeskreis ohne Max Halbe, wie dieser am 14.7.1903 festhielt: „Ich habe W. nicht mehr gesehen, hat gestern in der Torggelstube Abschiedscour gehalten. Keyserling ging nicht hin.“ [Tb Halbe], der „Winter unseres
MißvergnügensMax Halbe zitiert aus dem Auftakt, den beiden ersten Versen, von William Shakespeares Tragödie „König Richard III.“ (I/1): „Nun ward der Winter unsers Mißvergnügens / Glorreicher Sommer durch die Sonne Yorks“ (metaphorisch veranschaulicht der Wechsel vom ‚Winter‘ zum ‚Sommer‘ die Überwindung des Streits mit Wedekind).“ wird
nun wieder „glorreichem Sommer“ weichen. Herzliche Grüße!
Dein Max