Sehr geehrter Herr Liebscher!
Herr Dr. Kutscher theilte mir vor
einigen TagenWedekind war am Vorabend mit Artur Kutscher in der Torggelstube, wie er am 21.10.1912 notierte: „TSt. mit Kutscher“ [Tb]; davor hat er ihn nachweislich zuletzt am 5.9.1912 im Münchner Ratskeller getroffen: „RK mit [...] Kutscher“ [Tb]. den Inhalt Ihrer geehrten ZeilenOtto Liebscher hat an Artur Kutscher geschrieben, den er von seinem Studium in München her gekannt haben dürfte; er wurde am 21.7.1909 an der Münchner Universität zum Dr. phil. promoviert [vgl. Chronik der Ludwig-Maximilian-Universität München für das Jahr 1909/1910. München 1910, S. 26], mit einer theaterwissenschaftlichen Studie [vgl. Otto Liebscher: Franz Dingelstedt. Seine dramaturgische Entwicklung und Tätigkeit bis 1857 und seine Bühnenleitung in München. Halle 1909], ging dann als Schauspieler an das Stadttheater in Halle an der Saale [vgl. Neuer Theater-Almanach 1910, S. 442], war dort dann auch als Dramaturg tätig [vgl. Neuer Theater-Almanach 1911, S. 463], wechselte dann als Regisseur, Dramaturg und Schauspieler an das Fürstliche Hoftheater in Gera [vgl. Neuer Theater-Almanach 1912, S. 427f.], wo er vorerst blieb [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 430]. Die Presse meldete: „Der Dramaturg des Halleschen Stadttheaters Dr. Otto Liebscher wurde als Dramaturg und Regisseur an das Hoftheater in Gera von kommender Saison ab verpflichtet.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 40, Nr. 161, 28.3.1911, Abend-Ausgabe, S. (3)] Der Inhalt seines Briefes (ein mögliches Gastspiel Wedekinds und die Daten der Erstaufführungen von Wedekinds Dramen in München) gehen aus dem vorliegenden Brief hervor. mit. Ich kann Ihnen nur sagen,
daß ich mich gleichfalls freuen würde wenn das GastspielEin Gastspiel Wedekinds am Fürstlichen Hoftheater in Gera, dem aktuellen Wirkungsort von Otto Liebscher als Dramaturg und Regisseur, kam nicht zustande. zustande käme. Mit
Ihrer Erlaubnis übermittele ich ihre Anregung meinem VertreterDer Theateragent Eugen Frankfurter, Inhaber der renommierten Gastspielvermittlung „Süddeutsche Konzert-Direktion“ in Nürnberg, war für Wedekind tätig., Herrn
Frankfurter.
Die Daten meiner Erstaufführungen in München sind
folgende:
„Erdgeist“ 29. Oktober 1898Die Münchner Premiere des „Erdgeist“ fand am 29.10.1898 unter der Regie von Georg Stollberg mit Wedekind in der Rolle des Dr. Schön im Münchner Schauspielhaus statt..
„Der Kammersänger“ Februar 1901Die Münchner Premiere des Einakters „Der Kammersänger“ fand am 16.2.1901 mit Wedekind in der Hauptrolle des Gerardo im Münchner Schauspielhaus statt.. |
„Der Marquis von Keith“ 21. Oktober 1902Die Münchner Premiere des „Marquis von Keith“ fand unter der Regie von Frank Wedekind und mit ihm in der Titelrolle am 20.10.1902 im Münchner Schauspielhaus statt..
„Hidalla“ Februar 19
„So ist das Leben“ Februar 1903Die vom Akademisch-Dramatischen Verein veranstaltete Uraufführung von „So ist das Leben“ fand am 22.2.1902 im Münchner Schauspielhaus statt. Die Berliner Premiere fand im Jahr darauf statt, am 27.11.1903..
„Hidalla“ Februar 1905Die Uraufführung von „Hidalla“ fand am 18.2.1905 unter der Regie von Georg Stollberg mit Wedekind in der Rolle des Karl Hetmann im Münchner Schauspielhaus statt.
„Frühlings Erwachen“ und „Die junge Welt“ Herbst
1908Die Uraufführung von „Die junge Welt“ fand im Frühjahr statt, am 22.4.1908 im Münchner Schauspielhaus. Die öffentliche Münchner Premiere von „Frühlings Erwachen“ fand im Herbst statt, am 14.11.1908 ebenfalls im Münchner Schauspielhaus (am 28.1.1907 hatte es dort bereits eine geschlossene Vorstellung gegeben, veranstaltet vom Neuen Verein)..
„Die Zensur“ Sommer 1909Die Uraufführung des Einakters „Die Zensur“ fand (zusammen mit „Der Kammersänger“) unter der Regie von Frank Wedekind und mit ihm in der Rolle des Buridan (Tilly Wedekind spielte die Rolle der Kadidja) am 27.7.1909 im Münchner Schauspielhaus statt..
„Oaha“ Herbst 1911Die vom Neuen Verein veranstaltete Uraufführung von „Oaha“ fand unter der Regie von Eugen Robert mit Frank Wedekind als Georg Sterner und Tilly Wedekind als Leona am 20.12.1911 im Münchner Lustspielhaus als geschlossene Vorstellung statt..
Indem ich mich sehr darauf freue unsere
Bekanntschaft aus dem Bekanntschaft aus dem Krokodil1911 haben Artur Kutscher, Karl Henckell und Hubert Wilm die Stammtischrunde „das ‚Junge Krokodil‘“ gegründet, „das ein künstlerisch bedeutendes Zentrum wurde. Wir suchten eine harmlose Gelegenheit zu regelmäßigen, ungezwungenen Zusammenkünften mit Gleichgesinnten“ [Kutscher 1960, S. 67]. Man traf sich im Münchner Ratskeller. Wedekind war dem Tagebuch zufolge am 25.9.1911 („Krokodil mit Tilly“), am 13.11.1911 („Krokodil“), am 27.11.1911 („Krokodil im RK“), am 11.12.1911 („RK Krokodil“), am 8.1.1912 („Abend mit Kutscher im Krokodil“), am 11.3.1912 („RK. mit Krokodil“), am 13.5.1912 („Krokodilkneipe“), am 1.7.1912 („im Krokodil“) und am 8.7.1912 („Abend im Krokodil“) in dieser Runde (nach dem vorliegenden Brief erst wieder am 28.10.1912); an einem dieser Abende hat er die Bekanntschaft mit Otto Liebscher gemacht. zu erneuern
mit hochachtungsvollem Gruß
Ihr ergebener
Frank Wedekind.
München, Prinzregentenstraße 50.
22.10.12.