Kennung: 2136

Darmstadt, 20. Juli 1889 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Emilie (Mati)

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Darmstadt d. 20 Juli.


Mein lieber Bruder!

Du böser Kerl Du jetzt hab ich dir doch einen sehr langen Briefvgl. Emilie (Mati) Wedekind an Frank Wedekind, 30.06.1889. geschrieben und bis jetzt habe ich noch keine Antwort erhalten. Warum schreibst Du mir denn nicht? Du hast doch am Ende nicht viel anderes zu thun.

Eigentlich schreibe ich dir diesen Brief um dir recht viel Glück zu wünschen zu deinem GeburtstagWedekinds 24. Geburtstag am 24.7.1889.. Schenken kann ich dir dieses Jahr nichts da ich selbst für mich keine RabenSchreibversehen, statt: Rappen (die Kleinmünzen zum Schweizer Franken); allerdings sind Raben auch ungarische Dukaten mit dem Bild eines Raben [vgl. DWB, Bd. 14, Sp. 6]. Mati jedenfalls hatte kein Geld übrig. mehr übrig habe. Seit 14 Tagen haben wir Ferien | Frl. WidersCharlotte und Sophie Wider, die Vorsteherinnen des Darmstädter Mädchenpensionats. sind nach Oberamergau und Frau Küchler, eine Frnd. von Frl. W., ist hier und hält mit 4 Ihrer Kinder Haus. Kommst Du in den Ferien nach Hause oder bleibst du in München. Fräulein Wider kommen heute Mittag zurück, wir freuen uns sehr sie zu widersehn. Diesen letzten Satz hat eine En 19jährige reizende Engländerin geschrieben. Am letzten Mittwochder 17.7.1889. waren wir bei Herrn Küchler in Lützelbach letzteres ist ein g Dörfchen im schönen Odenwald. Wir fuhren am Morgen um 625 von hier ab und fuhren bis Ober-Ramstadt. Von dort aus gingen wir 1 Stunde lange bis Obermodau. Daselbst war Herr Küchler mit einem Kutscher welcher einen Leiterwagen mit sich führte. Nach dem wir alle guten Tag gesagt hatten stiegen wir ein und fuhren. | noch zw 1½ Stunden bis nach Lützelbach. Dort machten wir d nachdem wir uns mit Milch und Brod/Schwarz/brod w/W/eißbrod b/B/utterbrod gestärkt hatenSchreibversehen, statt: hatten. einen Sch/p/aziergang in den nahegelegenen Wald. Von dieser StrapatzeSchreibversehen, statt: Strapaze. zurückgekehrt aßen wir tüchtig zu Mittag und hernach zogen wir uns in verschiedene Gemächer zurück um dord/t/ unser Mittagsschläfchen zu vollstrecken. Um ½ 4 Uhr tranken wir Kaffee und aßen Honig und Kuchen und nach diesem machten wir wieder einen wunderhübschen Spaziergang. Um ½ 7 Uhr setzten wir uns wieder in den Leiterwagen und im Galopp gings wieder nach Oberr Ramstadt. Denke dir d die Pferde waren so wild daß Miss Saxby welche | neben mir saß, mich dermaßen in meinen Arm kniff daß [ich] einmal fast aus dem Wagen gehüpft wäre. Miss Saxby ist die von welcher ich dir schon vorher geschrieben habe. Zuguterletzt fing es noch an zu regnen und so kamen wir dann ganz durchnäßt im Ober-Ramstadt an. Wir mußten noch ½ Stunde Wa warten bis der Zug kam in welchen wir gehörten. Um 10 Uhr kamen wir wieder zu Hause an. Wir legten uns gleich ins Bett. N Als wir kaum im Bett waren fing es schrecklich an zu blitzen. Wir sprangen alle aus den Betten und versammelten uns in Fernande Far/v/re’s Zimmer. Es waren daselbst nur die m/M/ädchen aus dem Ober Stockwerk zugegen. So waren wir | also d 6. Alle in unsern langen weißen NachgewändernSchreibversehen, statt: Nachtgewändern.. Ach ich sage dir wenn nur ein Photograph zugegen gewesen wäre es hätte ein fammosesfamos = fabelhaft; ausgezeichnet; großartig. Bild gegeben. Bald schien es aufzuhören und so machten wir uns dann widerSchreibversehen, statt: wieder. so nach und nach in’s Bett; aber kaum hatten wir das Licht ausgelöscht als ein Krach w erscholl daß wir dachten das Haus fiele über uns zusammen. Mit einem HubsHupps (südhess.); plötzliche hüpfende Bewegung. waren wieder alle auf den Beinen und so versammelten wir uns nun in Lorchens Zimmer. Es war indessen Mitternacht geworden und wir sagten uns guten Morgen und schlichen widerSchreibversehen, statt: wieder. ins Bett. | Aber ich sage dir so eine fammose Nacht habe ich noch nie in meinem Leben gehabt. Am andern Morgen standen wir um ½ 10 Uhr auf. Wenn Du mir jetzt dann nicht bald schreibst dann schreibe ich dir gar nicht mehr.

Also nochmals mit den herzlichsten Glückwünschen verbleibe ich deine Schwester
Mati

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 3 Blatt, davon 6 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Rautiertes Papier. 1 Doppelblatt. 4 Seiten beschrieben. Seitenmaß 14 x 22 cm. Gelocht. 1 Einzelblatt. 2 Seiten beschrieben. 14 x 22 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Wedekind hat unmittelbar unter der Datumszeile das Jahr („89“) mit Bleistift handschriftlich ergänzt.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der lediglich mit Tag und Monat datierte Brief ist Wedekinds Notiz unter der Datumszeile zufolge (und durch textexterne Indizien in Verbindung mit dem Schreibort) im Jahr 1889 geschrieben worden.

Der Empfangsort ist durch das Tagebuch belegt.

  • Schreibort

    Darmstadt
    20. Juli 1889 (Samstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Darmstadt
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 308
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Emilie (Mati) Wedekind an Frank Wedekind, 20.7.1889. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (03.12.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

06.10.2021 12:33