Darmstadt d. 30 Juni
Geliebtes MünchnerleinAnspielung auf den letzten (nicht überlieferten) Brief ihres Bruders aus Berlin [vgl. Frank Wedekind an Emilie (Mati) Wedekind, 21.6.1889], in dem von München die Rede gewesen sein dürfte.!
Ach dich hatte ich ja ganz
vergessen. Jetzt geht es los. Alles gefiel mir an deinem Briefvgl. Frank Wedekind an Emilie (Mati)Wedekind, 21.6.1889. nur daß Du die
schweizer Madels so heruntermachst, das hat mich ganz empört. Warte nur das
schreibe ich der Minna. Wenn Du es auf die Stumpfnäschen absiest dann könntest Du nur in unsere PensionEmilie (Mati) Wedekind besuchte das „Darmstädter Mädchenpensionat zur Förderung des Fremdsprachen-, Literatur-, Zeichen- und Musikunterrichts“ [Vinçon 2021, Bd. 2, S. 323], das von den Schwestern Charlotte und Sophie Wider in Darmstadt (Hügelstraße 6) als Pensionsvorsteherinnen geleitet wurde [vgl. Adressbuch von Darmstadt 1889, S. 170].
kommen hier finden sich etliche solche vor. Unsere MademoiselleWedekinds jüngste Schwester schätzte die im Darmstädter Mädchenpensionat tätige Erzieherin aus Lausanne [vgl. Emilie (Mati) Wedekind an Frank Wedekind, 11.8.1889], deren Name ungenannt bleibt. hat ein reizende
Gesichtchen. Ein kurzes vorwitziges Himmelfahrtsnäschen. Zwei große braune
Augen, prachtvolle schwarze Haare, ein klei| Schreibversehen (im Zuge des Seitenumbruchs), statt: kleines.süßes Kußmündchen von welchem ich
jeden Abend ein Küßchen erhalte. Zwei kleine runde Öhrchen, Z zwei
zierliche Händchen. So f/v/iel ich gehört habe ist Frl. Herzog eine SchweizerinEmilie Herzog, die Verlobte von Wedekinds Freund Heinrich Welti, stammte aus Ermatingen im Kanton Thurgau (Schweiz).. Hat der Sadi noch nicht
geschrieben. Wenn brude Du ihm einmal schreibst so schreibe ihm auch
einen Gruß mir. Ich habe hier noch keinen Jungen gesehen der so hübsch ist wie
HeiniHeinrich Welti – wie der Zusammenhang mit seiner zuvor erwähnten Verlobten Emilie Herzog nahelegt.. Denken tu ich in der Regel nicht sehr f/v/iel. Arbei Mit dem Arbeiten ist jetzt
hier auch nicht sehr viel los da ich jetzt 4 Wochen lang Ferien habe. Gesehen
habe ich schon die ganze Umgebung von Darmstadt, welche schöner | ist als ich
sie mir gedacht habe. Gehört habe ich letzten Donnerstag im Saalbau ein prachtvolles
GartenconcertIm „Saalbau Darmstadt“ (der offenbar einen Garten hatte) fand am 27.6.1889 (Donnerstag) um 20 Uhr (Eintritt: 50 Pfennig) ein „Großes Militär-Concert“ mit umfangreichem Programm statt, „ausgeführt von der Kapelle des 1. Großh. Hess. Infanterie-(Leibgarde) Rgmts. Nr. 115, unter der Leitung ihres Kapellmeisters Herrn W.G. Hilge.“ [Darmstädter Tagblatt, Jg. 152, Nr. 123, 27.6.1889, S. 1760]. Fühlen tu ich überhaupt nichts.
Man wird hier geistig von Mademoiselle so abgehärtet daß ich
mir das fühlen schon vergangen. Wenn Du einmal eine kleine SpritzturSchreibversehen, statt: Spritztour. machst so
freut es mich sehr wenn Du mir einen kleinen Besuch abstattest. Dann kannst Du
auch die verschiedenen lieblichen Gesichterchen sehen die in unserem Hause sich
herumbewegen. Aber wenn Du den Mädchen gefallen möchtest so müßtest du auf
jeden Fall dein Ziegenbärtchen abrasiren lassen. Schläfst Du immer noch bis Mittags 12
Uhr. In Lenzburg war ja scheinz/s/ ein großartiges Jugendfest. Wir sind
hier unserer 4 Schweizermädchen. Mademoiselle von Lausanne, Angelika Blankart |
von Lugano, Marili Martini von Frauenfeld und ich.
Nun adjö/e/ü. Lebe wohl du altes Haus.
Es schickt dir 1000 TuppisKüsschen [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 17]. dein altes
Mati.
Bitte schreibe recht balddreifach unterstrichen..