Sehr geehrter Herr Wedekind!
Da Sie heute nie nach HauseWedekind wohnte dem Meldebogen zufolge ab dem 20.7.1889 im 3. Stock der Akademiestraße 21, ab dem 19.5.1890 dort dann im Parterre zur Untermiete bei „Mühlberger“ [EWK/PMB Wedekind], seine Zimmerwirtin, die durchgehend als „Kleidermacherin“ bezeichnete Witwe Anna Mühlberger, die von 1889 [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1890, Teil I, S. 235] bis 1899 [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1900, Teil I, S. 381] eine Wohnung im Parterre (links) in der Akademiestraße 21 hatte. kamen, mus ich mich schriftlich
an Sie wenden, damit nicht villeicht auch heute Nacht die Nachbarschaft, wie
die Parteien im Hause, so vil Ärgernis nehmen wie heute Morgen; von allen
Seiten wurde ich angeredet und nicht auf die freundlichste Art, im Nebenhause
schikte man mir die Hausmeisterin mir zu sagen, wie das noch einmahl vorkommt,
wendet man sich an die Polizei, überhaupt wollen es alle dem Herrn BaronEs dürfte sich um einen Angehörigen der Besitzerin des Hauses Akademiestraße 21 gehandelt haben, Charlotte Freifrau von Eberz, die Witwe eines Bezirksgerichtsdirektors, die selbst in der Hildegardstraße 5 (2. Stock) wohnte [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1892, Teil I, S. 79; Teil II, S. 13] – entweder der 39jährige Amtsrichter Max Freiherr von Eberz, der ebenfalls in der Hildegardstraße 5 (2. Stock) wohnte, oder aber der 29jährige Rechtsanwalt Paul Freiherr von Eberz, der bis vor kurzem noch in der Akademiestraße 21 (1. Stock) gewohnt hat [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1891, Teil II, S. 13], nun aber Wohnung und Kanzlei in der Rosenstraße 4 hatte [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1892, Teil I, S. 79]. sagen,
daß Herrn mit Weibsbilder bei dem Fenster aus und einsteigen. Hätten es
einzelne Menschen gesagt, würde ich weniger beachtet haben, aber es habens zu
vile gesehen; ich muß Ihnen nun höflich ersuchen, bester Her Wedekind alle
Unruhe von jetzt an zu meiden, den es wird aufgepaßt und es wird für Sie dan
auch nicht angenehm enden, man will die Gandarmeri besonders auf Ihr Fenster
aufmerksam machen. Bedenken Sie Her Wedekind welche Unannehmlichkeit Sie mir
dadurch bereiten; und ich heute wie auch später haben werde, wen Her Köpl,
welcher ober Ihnen wohntAnton Kögel, Oberexpeditor (Verwaltungsbeamter) bei der Generaldirektion der königlich bayrischen Staatseisenbahn, wohnte in der Akademiestraße 21 im Zwischengeschoss (Entresol) rechts zwischen Parterre und 1. Stock [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1892, Teil II, S. 13], zusammen mit der Privatiere Mathilde Kögel (im Entresol links wohnte die Privatiere Therese Kögel, die im Vorjahr ebenfalls noch im Entresol rechts gewohnt hatte). und mir heute bestimmt erklärte, das er dem H. Baron
über das Skandalöse Betragen und Guitarspillens des Hern JumerspachGitarre spielte der Architekt Fritz Jummerspach, der in der Akademiestraße 21 im 1. Stock rechts wohnte [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1892, Teil II, S. 13] und dort auch sein bautechnisches Büro hatte [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1891, Teil I, S. 179]. endlich
einmahl gründlich schreiben will; der H. Baron wird Hern Jumerpach, der
unschuldig an der Sache sich bisher hat darum ansehen lassen müssen, zur Ruhe
weisen; was folgt da für mich von drei Theilen, bedenken Sie, das ich
hinausgeworfen werde; und kan Her Köpl nicht Morgen schon erfahren von der
Hausmeisterin auf 19das Nachbarhaus Akademiestraße 19., oder von den übrigen Dienstbothen im Hause, welche alle
davon wissen, da die Kaminkehrer die Hern und Frauenzimmer beim Fenster
ebenfalls aus und einsteigen und Hut, Tüchl aus und einwerfen sahen, das
überall erzählt. Sie sehen Her Wedekind es wird mir, wen das nicht anders wird,
nimmer möglich hir zu bleiben, es gibt drei Dinge entweder Ruhe, um welche ich
Sie sehr bitten würde, oder Sie müssen doch so bald als möglich um ein passenderes
Zimmer sich sehen, wo man nicht so aufpaßt wie bei uns; oder ich müßte mich vom
Haushern mit Schand und Spott hinauswerfen lassen und was dan? und von den
Parteien verachten. Sie bekommen leichter ein Zimmer als ich eine Wohnung,
obwohl es mir sehr unangenehm sein würde; also bitte sehr zu beherzigen, den
ich möchte nicht alle Tage so vil Kummer erleben wie heute, ich habe genug zu
tragen; schließlich bitte ich, wen möglich, um den Rest der Rechnung, ich hätte
eine Zahlung.
Mit bestem Grus hochachtungsvoll
A. Mühlberger.