DIE DIREKTIONMax Martersteig hat die Direktion der Vereinigten Stadttheater in Köln – das Alte Stadttheater (Glockengasse 17-23) und das Neue Stadttheater (Habsburgerring 9) – zum 1.1.1905 übernommen. Sein Weggang aus Berlin hatte sich erst gegen Ende des vorangegangenen Jahres abgezeichnet. So meldete die Berliner Presse: „Max Martersteig, zur Zeit Regisseur am Neuen Theater, wird uns als der kommende Intendant der vereinigten Theater in Köln bezeichnet. Die Verhandlungen sollen dem Abschluß nahe sein; die Kölner hätten alle Ursache, sich mit dieser Wahl zufrieden zu erklären.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 33, Nr. 616, 3.12.1904, Abend-Ausgabe, S. (2)] Zu Weihnachten 1904 war klar: „Max Martersteig [...] ist zum Director der Vereinigten Stadttheater in Köln gewählt worden.“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 603, 24.12.1904, Morgen-Ausgabe, S. 8]
DER
VEREINIGTEN STADTTHEATER
CÖLN
28.3.05.
Verehrter Herr Wedekind,
es hat mir aufrichtig leid getan, daß ich in Berlin sein
mußte, während Sie hier im Litter. VereinWedekind ist von der Literarischen Gesellschaft in Köln zum Vortrag eingeladen worden, deren Vorsitzender Johannes Fastenrath war [vgl. Greven’s Adreßbuch für Köln 1905, Teil I, S. 108], wobei dessen Gattin Louise Fastenrath die Einladung an Wedekind übernommen hat [vgl. Wedekind an Johannes Fastenrath, 14.3.1905]. VortragWedekind hat am 16.3.1905 seine „Abreise nach Köln“ [Tb] festgehalten und am 17.3.1905 notiert: „Vortrag in Köln. Abends bei Johannes Fastenrath. 12 Uhr Nachts Rückreise nach München. Eingenommen. M.300.“ [Tb] Er las im Kölner Gürzenich Szenen aus „So ist das Leben“, die Erzählung „Rabbi Esra“ sowie die Gedichte „Das Lied vom armen Kind“, „Sommer 1898“ und „Der blinde Knabe“ [vgl. KSA 1/II, S. 1155f.]. Die Lesung war erfolgreich: „Ein zahlreiches Publikum füllte gestern den großen Saal des Gürzenichs, wo im Auftrage der Literarischen Gesellschaft zu Köln der Dichter Frank Wedekind aus München eigene Dichtungen vortrug“, wobei die „überwiegende Mehrheit des Publikums [...] mit einer deutlichen Ahnung von dem Wesen des genialen Bohêmedichters gekommen war [...], und am Schlusse, wie nach jedem einzelnen Stück wurde Wedekind durch stürmischen Beifall ausgezeichnet.“ [Städtische Nachrichten. In: Kölnische Zeitung, Nr. 285, 18.3.1905, Mittags-Ausgabe, S. (2)] hatten. Ich hätte mich eines
persönlichen Zusammentreffens sehr gefreut. ‒
Nun interessiert mich Ihre HidallaDie von Max Martersteig erwogene Inszenierung von „Hidalla“ in Köln kam nicht zustande. sehr – und noch mehr Ihre
Absicht, selbst darin zu spielenWedekind hat bei der Uraufführung von „Hidalla“ am 18.2.1905 am Münchner Schauspielhaus unter der Regie von Georg Stollberg mit großem Erfolg die Hauptrolle des Karl Hetmann gespielt, ebenso bei der Premiere des Stücks am 25.3.1905 am Intimen Theater in Nürnberg unter der Leitung von Emil Meßthaler [vgl. KSA 6, S. 536]..
Aber wie?
Eine Einstudierung mit unseren Leuten ist ein großes Opfer
an Zeit und Kraft, das nur zu bringen ist, wenn wir mindestens 4 Vorstellungen
geben können.
Etwas anderes wäre es, wenn Sie ein Ensemble mitbrächten.
Dann wäre die Sache sehr einfach. Ich proponierte Ihnen für diesen Fall
60 % der Bruttoeinnahme im Alten Haus. Das wäre, bei dem enormen
Interesse, das hier für Sie ist, wahrscheinlich ein glänzendes Geschäft,
jedenfalls aber kein schlechtes. Je nach dem Erfolg | würde man dann noch einen
zweiten Abend in Aussicht nehmen können.
Zeit: Woche nach Ostern.
Haben Sie die Güte, mir Ihre Dispositionen mitzuteilen; ich
will mein Möglichstes tun, daß der Gedanke zur Tat wird.
Ihr in aufrichtigster Wertschätzung
ergebener
Max Martersteig.